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Hund in der Schule: Pädagogen auf vier Pfoten

Hunde lieben Menschen, und Menschen lieben Hunde. Kein Wunder, werden sie auch in Schulen mitgenommen, wo sich ihre Anwesenheit im Unterricht positiv auf das Klassenklima, das Verantwortungsbewusstsein sowie die Lernleistung der Kinder auswirken kann.

Bild: © Gladskikh Tatiana/shutterstock.com

Hunde leben auf der ganzen Welt, und sie alle verbindet eines: Sie sind nah an uns Menschen. Eine Freundschaft mit einem Hund ist etwas ganz Besonderes. Wer selbst einen Hund hat, kann diese enge Verbindung selbst fühlen – einerseits spürt der Hund unsere Gefühle und umgekehrt fühlen auch wir das Befinden unseres Hundes. Ein Hund kann uns trösten, wenn wir traurig oder niedergeschlagen sind, er kann uns aufmuntern, beruhigen oder zum Spielen und Bewegen motivieren. Umgekehrt sorgen auch wir für unseren treuen Freund und sind bestrebt, seine Bedürfnisse zu stillen, resp. idealerweise auch auf seine Bedürfnisse einzugehen. Ganz klar: Hunde haben ihre eigene Persönlichkeit sowie ihre ganz spezifischen Verhaltensweisen und Einstellungen. Selbstverständlich passen uns ihre Ideen und Verhaltensmuster nicht immer, doch um diese zu verstehen, ist es wichtig, ihre Eigenständigkeit und ihr hundetypisches Verhalten anzuerkennen und sie nicht nur einfach erziehen und abrichten zu wollen, sondern sie als denkende, fühlende Lebewesen wahr- und ernstzunehmen.

Hundegestützte Pädagogik in der Schule

Gemäss der Schweizer Tierdatenbank Identitas lebten Ende 2022 555 340 Hunde in der Schweiz – sie gehören also zu den beliebtesten Haustieren hierzulande. Auch in Schulen sind Hunde heute kaum mehr wegzuzudenken. Was aber sollen sie dort? Ulrike Forth, Sozialpädagogin, Erwachsenenbildnerin, Fachperson für tiergestützte Interventionen, Hundetrainerin und Ausbil-dungsleiterin von Schulhundeausbildungen, erklärt im Gespräch, dass in diesem Zusammenhang von «Hundegestützter Pädagogik in der Schule» – abgekürzt «HuPäSch», gesprochen werde. Gebraucht werde dieser Begriff in Anlehnung an die wertvolle Arbeit von Lydia Agsten. Sie gehört als ehemalige Sonderschullehrperson und Buchautorin zu den Pionierinnen in der Arbeit mit Schulhunden. Grundsätzlich gibt es jedoch keine einheitlich benutzten Begriffe, wenn es um Hunde in der Schule geht. Dies macht insofern Sinn, als dass es unterschiedliche Gründe dafür gibt, einen Hund mit ins Klassenzimmer zu nehmen. «Das Wort ‹Schulhund› gilt als Überbegriff. Dabei wird unterschieden zwischen einem Schulbegleithund sowie einem Schulbesuchshund. Als Schulbegleithunde, Klassen- oder Präsenzhunde werden diejenigen Hunde bezeichnet, die von einer Lehrperson regelmässig mit in die Schule genommen werden. Sie können in der Klasse verschiedene Aufgaben haben. Welche dies sind, hänge in allererster Linie vom Hund selbst ab: Was tut der Hund gerne, was liegt ihm? Natürlich komme es auch auf die Vorlieben der Lehrperson und nicht zuletzt auf die Schülerinnen und Schüler sowie den zu vermittelnden Lehrstoff an, wenn es darum geht, zusammen mit dem Hund zu lernen.

Der zweite Schulhundebereich meint die Schulbesuchshunde: Diese Hunde besuchen die Schule aus verschiedenen Gründen und werden dabei nicht zwingend von einer Lehrperson geführt. Schulbesuchshunde können beispielsweise zur Bissprävention eingesetzt werden oder auf Ausflügen, zu Projekttagen oder zu anderen Schulanlässen mitkommen. Beispiele dafür seien zum Beispiel, wenn bestimmte Berufsleute in die Schule kommen und ihre Berufe sowie hierfür speziell ausgebildete Hunde vorstellen. Hunde können nämlich in vielen Berufen mitarbeiten, z. B. als Blindenführhund, bei der Polizei oder im Militär als Diensthund (als Schutz- und Wachhund, als Sanitätshund zum Aufspüren von Verwundeten oder auch als Sprengstoff- oder Drogenspürhund), vor der Kamera in einer Hunde-Hauptrolle (z. B. als Lassie, Kommissar Rex und Co), beim Roten Kreuz als Rettungshund, in der Medizin als Warnhunde bei Erkrankungen wie Diabetes, Epilepsie, Asthma, Schlaganfall, Migräne, Narkolepsie oder Allergien, zum Jagen, als Schlittenhund usw. Auch als sogenannter Lesehund eignen sich viele Hunde. So konnte in mehreren Studien aufgezeigt werden, dass Hunde die kindliche Entwicklung fördern und sogar die Lesefähigkeit von Grundschülern verbessern können. «Den Hunden ist es egal, ob ich schlecht lese. Also mache ich einfach weiter», erzählte eins der Kinder im Programm. Manche Hunde sind sehr geduldig und geben keine Wertung nach menschlichen Massstäben. Dadurch können Kinder ihre Einstellung zum Lesen ändern und selbstbewusster in ihren Fähigkeiten werden.

Magische Momente im Schulalltag

Ulrike Forth erzählt, dass sie während ihres Unterrichts in einer Tim-out-Klasse, in der ihre Hündin Chica mitwirken durfte, Erstaunliches miterleben konnte. Ein damals 11-jähriger Junge sprang mit einem Messer auf den Pulten herum. Chica steuerte leicht aufgebraucht auf den Schüler zu, blieb dann ca. 1,5 Meter vor ihm stehen und machte zweimal «Wuff, Wuff», was für den Jungen offensichtlich so viel bedeutete wie STOPP! Der Junge kam dadurch komplett aus dem Konzept und im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf den Boden – dies machte ihn für sie wieder erreichbar. In einem anderen Beispiel machte sie mit demselben Jungen Matheaufgaben. Doch dieser trommelte unter dem Tisch an Metall, was die Konzentration störte. Und was machte ihr Hund, der vorher hinter dem Stuhl des Jungen ruhig geschlafen hatte? Er stand auf und legte seinen Kopf dem Jungen auf den Schoss. Dadurch konnte dieser nicht mehr lärmen. Im Gegenteil, er begann den Hund zu streicheln, wurde zugänglicher und ein wenig motivierter, sich den Matheaufgaben zuzuwenden. Dies war geradezu ein magischer Moment und ein Erlebnis, das zeigt, wie wertvoll die Arbeit mit Hunden sein kann.

Doch nicht nur in Schulen, auch in Alters- und Pflegeheimen, Spitälern oder Gefängnissen kommen Hunde regelmässig vorbei, denn sie können u. a. Ruhe ausstrahlen und die Bewohner beruhigen sowie zu Aktivitäten und Sozialkontakten motivieren. Einige Fellnasen lassen sich durchaus gerne kuscheln. Auch bei der Arbeit mit kriminellen Jugendlichen können Hunde helfen. Mit Hunden können sie lernen, Verantwortung zu übernehmen und Stress abzubauen. Denn: Hunde interessiert es nicht, was jemand in der Vergangenheit getan hat. Kümmert man sich gut um sie, nehmen sie den Menschen so, wie er jetzt ist.

Lernen zum Wohl aller

Beim Einsatz von Schulhunden gehe es darum, das Lernen zum Wohl aller Schülerinnen und Schüler, der Lehrperson und – last but not least – auch dem Hund zu gestalten, sagt Ulrike Forth. Dabei sei der Hund in der Schule kein Wundermittel, könne jedoch eine grosse Bereicherung darstellen, sofern einige Dinge beachtet werden. Was gilt es denn ihrer Meinung nach zu beachten? Es sei zwingend, dass der Hund gerne in die Schule komme. Diese Arbeit müsse in erster Linie zu ihm und seinem Charakter passen. So eignen sich ängstliche, scheue Hunde weniger als Schulhunde, genau so wenig wie zu selbstständige oder solche, die schnell reizüberflutet oder verunsichert sind.» Wichtig sei, dass er quasi «nichts müssen» muss, sondern das gerne tut, was er macht, weil es ihm vom Charakter her entspricht. Je nach Sicherheit im Einsatz des Hundes und den charakterlichen Voraussetzungen werden Schulhunde gerne aktiv in den Unterrichtsprozess eingebunden, indem sie z. B. Gegenstände mit Aufgabenstellungen bringen dürfen oder Ähnliches. Dies erhöht den Spass (v. a. das Interesse und die Aufmerksamkeit) und die Motivation der Schülerinnen und Schüler und trägt damit auch zu einer guten Lernentwicklung bei. Je nach Hundetyp sind einige Hunde begeistert, dass sie im Unterricht aktiv werden dürfen und nicht nur irgendwo herumliegen müssen. Aus Ulrike Forths Sicht sollte für ein gelingendes Mensch-Hund-Team eine Lehrperson mit einem Schulbegleithund eine qualifizierte Weiterbildung durchlaufen haben, denn nur durch ein vielfältiges Hintergrundwissen um Prozesse und Wirkungen (auch bez. Recht, Medizin, Ethik) ist es der Lehrperson möglich, im laufenden Prozess der Wissensvermittlung nebenbei schnell Rückschlüsse aus den Interaktionen zwischen dem Hund und den Schülerinnen und Schülern zu ziehen und entsprechende Massnahmen zum Wohl von Hund und Kindern zu ergreifen.

Gute Gründe für eine Schulbegleithundeausbildung

Wer als Lehrperson, Schulische/r Heilpädagoge/in, Logopäd/in, Ergotherapeut/in, Klassenassistent/in oder Schulsozialarbeiter/in den eigenen Hund für alle gewinnbringend integrieren möchte, sollte sich bewusst sein, dass man seinen Hund nicht einfach in die Schule mitnehmen darf oder sollte. Ulrike Forth wünscht sich, dass sich alle Personen, die mit diesem Gedanken spielen, sich vorher ausführlich informieren, denn die Aufgabe sei mit sehr viel Mehr- und Zusatzaufwand verbunden. In erster Linie gäbe es rechtliche und ver-sicherungstechnische Fragen zu klären, doch es gelte auch, die Schulleitung zu überzeugen und auch die Elternschaft mit einem soliden Basiswissen von seinen Ideen zu informieren und beispielsweise auch aktiv selbst ein Konzept zu schreiben, wie man sich den Einsatz mit seinem Hund im Detail vorstellt, sodass ein Mehrwert für alle Beteiligten erreicht werden kann. Ulrike Forth: «All dies und noch viel mehr lernen Interessierte in unserer Schulbegleithundeausbildung, die insgesamt aus acht Modulen besteht. Alle Inhalte orientieren sich stark an den strengen Kriterien für eine Basisausbildung von ISAAT (International Society of Animal Assisted Therapy). Aufgrund der Dynamik innerhalb der Fachgebiete «Hundegestützte Pädagogik in der Schule» (HuPäSCH) bzw. «Tiergestützte Interventionen» (TGI) mit weiteren Unterscheidungen können sich zwar einzelne Begrifflichkeiten laufend ändern, doch das Ziel bleibt sich gleich: Der Nachweis über die abgeschlossene Schulbegleithundeausbildung besteht aus einem Zertifikat mit dem Titel «Hundegestützte Pädagogin in der Schule», bzw. «Hundegestützter Pädagoge in der Schule». Es ist ein Jahr lang gültig. Für die jährliche Erneuerung des Zertifikats ist einmal pro Jahr ein weiterer, supervisorischer Klassenbesuch notwendig.

Hier geht’s zum Interview mit Ulrike Forth

Zur Person:

Ulrike Forth fasziniert und beschäftigt der Hund und die Mensch-Hund-(Tier)-Beziehung seit sie denken und fühlen kann. Sie ist dipl. Sozialpädagogin FH und wirkt heute nach spezifischen Aus- und Weiterbildungen (s. o.) im Bereich Tiergestützte Interventionen (u. a. Geschäftsstellenleitung der Gesellschaft für Tiergestützte Therapie und Aktivitäten, Berufsverband der Fachkräfte für Tiergestützte Interventionen, GTTA) sowie als Ausbildungsleiterin von Schulhundeausbildungen.ch.