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Neuer Lebensabschnitt braucht Stärke

Giuliana Lamberti vom Verein S.E.S.J: «Das ist ein Gewinn für alle.»

Bild: © Roman Samborskyi/shutterstock.com

Der Übergang von der Schulzeit in die Berufswelt stellt häufig eine Herausforderung dar – für die Jugendlichen, aber auch deren Eltern. In Zürich finden Betroffene beim Verein «Starke Eltern – Starke Jugend» eine hilfreiche Anlaufstelle.

Ein Freudentag für die einen, ein mulmiges Gefühl bei den anderen: Der letzte Schultag des eigenen Kindes löst ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Haben die Jugendlichen eine Anschlusslösung gefunden, überwiegen meist Freude und Glück. Steht hingegen noch in den Sternen, was das eigene Kind nach der Schule machen will, löst dies häufig Angst und Beklommenheit aus. Vielleicht wurde keine passende Lehrstelle gefunden oder der Schulabgänger weiss noch immer nicht, wo er seine Fühler ausstrecken soll. Dass Eltern in dieser Situation eine besondere Rolle einnehmen, weiss auch Giuliana Lamberti vom Verein S.E.S.J. «Starke Eltern – Starke Jugend». Seit über 20 Jahren steht sie als Beraterin in der Berufsintegration hilfreich zur Seite. «Für Eltern ist dieser Übergang auch nicht einfach. Für sie gab es jedoch keine Beratungsstelle, wo sie sich Hilfe holen konnten», erinnert sie sich an die Anfangszeiten zurück. Deshalb gründete sie im Jahr 2016 besagten Verein, mit dem Ziel, die Eltern in dieser Phase zu unterstützen.

Frühe Entscheidungen

Mit dem Angebot stiessen die Verantwortlichen sogleich auf offene Türen. Denn: Die Anforderungen sind in den letzten Jahren gestiegen. «Immer mehr Jugendliche sind diesem Druck nicht mehr gewachsen und haben mit psychischen Problemen zu kämpfen», sagt Lamberti weiter. Dies sei für die gesamte Familie, aber auch die Beraterinnen eine Herausforderung. Die Ursachen dafür würden auf der Hand liegen. Gab es früher einen Lehrstellenmangel, können laut Lamberti die Lehrstellen heute nicht mehr besetzt werden. Bereits früh in ihrer Jugend müssen sich die Schüler darüber klar werden, welche berufliche Richtung sie einschlagen wollen. Gymnasium oder FMS? Lehre oder Berufsmaturität? Wenn es eine Lehre sein soll, welche? Hinzu kommt der Bewerbungsprozess mit den ganzen Dossiers. Es warten jedoch auch Multi- und Stellwerktests auf die Jugendlichen. Alles in allem eine grosse Herausforderung, sagt Lamberti. «Diese Zeit ist sehr anspruchsvoll – und zwar für die gesamte Familie.»

Zu viel Druck

Umso wichtiger, dass die Eltern, zusammen mit ihren Kindern, an einem Strick ziehen. Dies sei aber gar nicht immer so einfach. Viele Eltern hätten zwar durchaus Zugang zu ihrem Nachwuchs, so Lamberti. «Wenn aber nicht alles rund läuft, zum Beispiel, wenn das Kind keine Lehre findet oder die Lehre abbricht, dann kann es in der Familie zu Spannungen kommen.» Vor allem dann, wenn Eltern zu viel Druck aufsetzen würden. Häufig deshalb, weil sie es schlicht nicht akzeptieren könnten, dass gerade ihre Tochter oder ihr Sohn in dieser Situation feststecke. «Die Eltern geben dann dem Kind die Schuld – und das ist sehr belastend.» In solchen Fällen sei die Beratungsstelle die richtige Adresse. In oftmals emotionalen Gesprächen wird nach einer Lösung gesucht. Aber auch, wenn sich Eltern grundsätzlich über das Schweizer Bildungssystem informieren wollen, hält die Beratungsstelle passende Informationen bereit.

Mehr Angebote

Auch nach all den Jahren ist Giuliana Lamberti immer noch mit Freuden dabei. Eine Familie in diesem Prozess zu begleiten, sei eine Herausforderung – aber eine schöne, wie sie betont. «Eine externe Fachstelle bietet Unterstützung, so, dass unnötige Konflikte verhindert werden können.» Auch in den eigenen vier Wänden können Eltern ihren Kindern eine Stütze sein, indem sie gemeinsam über ihre eigenen Berufserfahrungen reden und sich über verschiedene Berufe und Schulen informieren. «Wichtig ist dabei, die eigenen Interessen und Wünsche des Kindes akzeptieren zu können», sagt Lamberti weiter. Für sie ein Grund mehr, dass es künftig mehr Angebote für Eltern geben muss. Auch Eltern mit Migrationshintergrund bräuchten im Hinblick auf das Schweizerische Bildungssystem Unterstützung. Lamberti: «Das ist ein Gewinn für alle.»

Das Angebot richtet sich an Eltern aus der Stadt und dem Kanton Zürich.

Verein S.E.S.J.
Weberstrasse 21
8004 Zürich
044 242 27 27
www.sesj.ch