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Kinder im Spital: «Nicht ohne meinen Kuschelhasen!»

Eltern können einiges dazu beitragen, dass sowohl ein geplanter als auch ein notfallmässiger Spitaleintritt ihres Kindes nicht zu einem belastenden Erlebnis wird.

Ob bei einem gebrochenen Arm, hohem Fieber, einer schwerwiegenden Krankheit oder einer bevorstehenden Operation: Wenn Kinder notfallmässig oder auch geplant ins Spital müssen, bringt das die ganze Familie aus dem Lot. Hinzu kommt, dass die fremde Spitalwelt für sie verwirrend und beängstigend sein kann. Blutentnahmen, Infusionen, Röntgenaufnahmen, Ultraschall-Untersuchungen, der ungewohnte Geruch und die vielen fremden Menschen – all das kann belastend und angsteinflössend sein. Insbesondere Kinder im Vor- und Primarschulalter fürchten sich vor ungewohnten und unangenehmen Situationen. «Wichtig ist deshalb, dass Eltern bereits in guten Zeiten mit ihrem Kind über Themen wie Krankheit, Unfall und Spital sprechen, auch wenn noch kein direkter Anlass dazu besteht», sagt Sabine Feierabend, Präsidentin des Vereins Kind+Spital. «Altersgerecht vermittelte Informationen können helfen, bei einem geplanten Spitalbesuch oder auch in Notfällen Vertrauen zur ungewohnten Umgebung zu gewinnen und allfällige Ängste zu überwinden.» Die Expertin ist überzeugt, dass ein Kind wissen sollte, was es im Spital erwartet, was dort geschehen wird und was seine Rechte im Spital sind.

«Mami, was ist ein Spital?»

«Natürlich ist es nicht immer einfach, die richtigen Worte zu finden», weiss Sabine Feierabend aus eigener Erfahrung. Eine hilfreiche Faustregel sei: nichts beschönigen, aber auch nichts dramatisieren, sondern Ruhe und Zuversicht vermitteln. Wenn das Kind bereits etwas älter ist, haben Eltern verschiedene Möglichkeiten, es auf einen kurzen oder längeren Spitalaufenthalt vorzubereiten. So bieten beispielsweise viele Kinderspitäler oder Kinderabteilungen spezielle Führungen oder Spielnachmittage an, wo Eltern zusammen mit ihrem Kind einen Einblick in die Spitalwelt geboten wird. Sabine Feierabend rät Eltern, anschliessend an einen solchen Besuch mit ihrem Kind über seine Eindrücke, seine Befürchtungen und auch seine Hoffnungen zu sprechen und dabei möglichst viele Fragen zu stellen resp. zu beantworten. «Für Kinder ist es wichtig, sich mit den Themen Gesundheit, Erkrankung und Spitalsituationen spielerisch zu beschäftigen – idealerweise bereits dann, wenn sie noch gar nicht davon betroffen sind», erklärt sie weiter. «Je mehr ein Kind sich spielerisch mit gängigen Abläufen und Materialien im Spital oder bei der Kinderärztin oder dem Kinderarzt beschäftigen kann und je mehr Fragen es zuvor beantwortet bekommt, desto besser wird es dieses Erlebnis bewältigen. Kinder, die gut vorbereitet sind, haben bedeutend weniger Angst und helfen zum Teil sogar selber aktiv mit, damit die Untersuchung oder der Eingriff durchgeführt werden kann.

Spielend den Spitalalltag erkunden

Im Rahmenlehrplan des Basisstufenunterrichts ist das Thema «Mein Körper – meine Gesundheit» fest verankert. Neben anderen Themen wie die fünf Sinne, der Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Körpers, gesunde Ernährung und Bewegung geht es in dieser Lehrperiode auch um die Beschäftigung mit Krankheit, Besuchen bei der Kinderärztin oder dem Kinderarzt oder einen Spitalaufenthalt. «Regelmässig buchen Basisstufen-Lehrpersonen in dieser Zeit unseren Spitalkoffer», freut sich Sina Schneider, Pflegefachfrau HF und im Vorstand verantwortlich für die Spitalspielkoffer-Projekte. «Diesen gibt es nun bereits seit mehr als 30 Jahren. Im Jahr 2019 wurde der Inhalt komplett neu konzipiert und zusammengestellt. Sowohl die Kinder wie auch die Lehrpersonen schätzen dieses Angebot, da es den Kindern vor allem im Umgang mit Materialien und durch viele anschauliche Bilder und Erklärungen die Spitalwelt begreifbar macht.» Beliebt sei auch das Rollenspiel, bei dem sich die Kinder als Ärztinnen und Ärzte oder Patientinnen und Patienten verkleiden und mit den verschiedenen Spitalmaterialien spielen können. Wenn immer möglich wird die Arbeit mit dem Spitalkoffer mit einem Besuch in der lokalen Kinderklinik verbunden. Dort lernen die Kinder bereits wichtige Räumlichkeiten kennen (z. B. die Notfallstation und die Röntgenabteilung) und bekommen häufige Untersuchen gezeigt. «Ein ähnliches Angebot sind die Teddybären-Spitäler, die von Medizinstudentinnen und -studenten regelmässig in einigen Kinderkliniken angeboten werden», erklärt Sina Schneider. «Die Kinder bringen einen Teddybären oder ein anderes Kuscheltier mit ins Spital, das ein gesundheitliches Problem hat, lassen es untersuchen und von den Fachpersonen behandeln.» Weitere erprobte Möglichkeiten zur Spitalvorbereitung seien die vielen Bücher zu Besuchen bei der Kinderärztin oder dem Kinderarzt oder im Spital, zum Umgang mit einer eigenen Erkrankung oder der Erkrankung eines Geschwisters oder eines Elternteils. «Eine Auswahl unserer Empfehlungen finden Eltern auf unserer Website (siehe Kasten). Damit Kinder und auch Jugendliche ihre Kinderklinik kennenlernen können, veranstalten einige Kliniken regelmässig Tage der offenen Tür oder andere Anlässe, die sich an Kinder und Jugendlicher richten. «Immer häufiger werden Kinder auch zu partizipativen Projekten eingeladen, um Räumlichkeiten nach ihren Bedürfnissen mitzugestalten oder Dienstleistungen wie eine Kinderzeitung, einen Fragebogen oder eine Kinderwebsite mitzugestalten», weiss Sabine Feierabend. So seien Mitreden- und Mitgestalten-Können für die Kinder nicht nur bei diesem Thema ein wirksames Mittel gegen Ohnmacht und Angst.

«Lass mich nicht allein!»

Auch die beste Vorbereitung macht die Anwesenheit der Eltern oder einer anderen vertrauten Person nicht überflüssig, aber sie erleichtert den Spitalaufenthalt für alle Beteiligten. Besonders wichtig ist dies bei einem Notfall, der ein Kind und die Eltern unvorbereitet trifft. Dann ist es hilfreich, wenn ein Kind weiss, dass es von den Eltern oder einer anderen Bezugsperson begleitet wird. Babys und Kleinkinder verstehen noch nicht, weshalb sie ins Spital gehen und dortbleiben müssen. Umso wichtiger ist es, dass die Eltern bei ihm bleiben und – je nach Fall – auch bei ihm übernachten. Rooming-in heisst das Konzept. Dabei wird meistens neben dem Bett des Kindes ein Liegebett aufgestellt. So kann das Kind die Nähe spüren. Es fühlt sich weniger fremd und ist nicht allein, wenn es nachts aufwacht. Natürlich können Eltern im Spital nicht den Komfort eines Hotels erwarten. Wichtig ist jedoch, dass sie für ihr krankes Kind während einer schwierigen Lebenserfahrung da sein können. Die Kosten für die Übernachtung der Eltern und auch die zusätzliche Verpflegung sind je nach Spital unterschiedlich hoch. In einigen Fällen werden sie ganz oder teilweise von den Krankenkassen übernommen. Diese Fragen gilt es vor dem Spitaleintritt abzuklären. Wer beim Kind im Spital bleibt, sollte vom Pflegeteam über die täglichen Routineaufgaben informiert und dort, wo es sinnvoll ist, in die Pflege einbezogen werden. Anlässlich eines gemeinsamen Gesprächs mit dem Pflegeteam kann geklärt werden, was die gegenseitigen Wünsche und Erwartungen sind.

Kinderrechte im Spital

Jedes Kind sollte über seine Rechte Bescheid wissen. Nicht nur über diejenigen, die Schule oder den Alltag angehen, sondern gerade auch, wenn es um den eigenen Körper geht. Diese Rechte, die auf europäischer Ebene zu EACH-Charta zusammengefasst sind, umfassen folgende zehn wichtige Punkte. Sie sind von den Schweizer Kinderspitälern anerkannt worden.

  1. Ich muss dann ins Spital, wenn es unbedingt nötig ist.
  2. Wenn ich ins Spital muss, dürfen meine Eltern bei mir bleiben.
  3. Meine Eltern dürfen bei allen Untersuchungen, die bei mir gemacht werden, dabei sein.
  4. Mir und meinen Eltern wird genau erklärt, was getan werden muss, damit es mir bald wieder besser geht.
  5. Alle Personen, die mich behandeln und pflegen, sorgen dafür, dass ich möglichst wenig Schmerzen spüre.
  6. Im Spital werde ich zusammen mit anderen Kindern auf einer Kinderstation behandelt.
  7. Im Spital sorgen alle dafür, dass ich mich wohlfühle. Ich darf deshalb auch spielen und lernen.
  8. Die behandelnden und pflegenden Personen hören mir zu, sind verständnisvoll und einfühlsam und nehmen meine Meinung ernst.
  9. Es gibt Personen im Spital, die mich häufig betreuen und gut kennen. Sie reden mit mir und meinen Eltern. Ich kann sie alles fragen, was ich wissen möchte.
  10. Ich werde mit Respekt behandelt. Wenn mir eine Untersuchung peinlich ist oder ich grosse Angst habe, sage ich das den Leuten im Spital. Dann helfen sie mir, damit ich mich wieder besser fühle.

Der Verein Kind+Spital

Kind+Spital ist ein Verein, der 1979 gegründet wurde und als Non-Profit-Organisation für die Rechte von Kindern und Jugendlichen im Gesundheitswesen einsteht. Der Verein ist Teil des «Netzwerks Kinderrechte Schweiz» und versucht mitden Schwerpunkten «Vorbeugen und informieren», «Schmerzen lindern» und «Vernetzen und unterstützen» die Punkte der EACH-Charta umzusetzen. Der Verein ist somit die Anlaufstelle für Eltern, die Fragen und Probleme haben oder sich in einer verzweifelten Situation befinden.

Mit dem Projekt des Spitalspielkoffers, der in der Primarschulstufe ausgeliehen werden kann, werden Kinder spielerisch auf einen möglichen Spitalaufenthalt vorbereitet. Seit 2015 gibt es auch ein spezifisches technisches Hilfsmittel für Kinder: der Buzzy. Dank Kälte (Gel-Flügel) und Vibration werden lokale Schmerzen nicht mehr vollständig zum Gehirn weitergeleitet und lenken zusätzlich ab. Dadurch wird die Angst bei kleinen Eingriffen, aber auch bei Impfungen und Untersuchungen reduziert. Viele kleine Patienten spüren sogar überhaupt keinen Schmerz mehr. Zahlreiche Kinderärzte und Stationen in Kinderspitälern kennen Buzzy und verwenden ihn. Als Patient darf jedes Kind danach fragen. Es gibt ihn als Marienkäfer und als Biene. Der Verein Kind+Spital hat in der Schweiz die alleinigen Vertriebsrechte für Buzzy. Weitere Tipps für Eltern, Buchempfehlungen zur Spitalvorbereitung und Bestellungen für den Buzzy oder den Spitalspielkoffer über www.kindundspital.ch