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Das Kinderzimmer einrichten ist alles andere als ein Kinderspiel

Bei der Bundesstelle für Unfallverhütung Ein Kinderzimmer einzurichten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn der Raum soll das Kind in seiner Entwicklung unterstützen und fördern. Zudem ist eine gewisse Harmonie und Wohlfühlatmosphäre wünschenswert.

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Romeo steckt zurzeit mitten in der Duplo-Phase. Ein Meer von bunten Bausteinen umwogt den zweieinhalb jährigen Knirps. Seine Mutter hat ihm im Parterre einer alten stilvollen Zürcher Villa ein Reich geschaffen, das mit Romeos rasantem Wachstum Schritt halten kann. Keine Kindermöbel, dafür ausgewählte Stücke soliden Handwerks aus den 50ern. Eine stets passende Kulisse mit wechselnden Requisiten. Rosa ist die Bettwäsche in Junes Zimmer. Ebenso das Seidentischtuch, das seiner Farbe wegen als Wandschmuck dient. Rosa kommt auch das Lieblingsteil der vierjährigen Bewohnerin daher – das Prinzessinnenkleid. Dazu ein heller Parkettboden sowie ein paar Kindermöbel in Naturholz – und fertig ist die romantische Mädchenwelt, so süss, als wäre beim Einrichten ein Zuckerbäcker dabei gewesen und hätte sein Werk mit einem Guss aus Marzipan und Puder gekrönt. Isabelle (9) fände es toll, so wie Pippi Langstrumpf zu wohnen. Mit ihrem kunterbunten Sammelsurium von Reisesouvenirs, alten und neuen Spielsachen und vielen spannenden Büchern ist sie gar nicht weit davon entfernt. Wenn Freundinnen kommen, spielen die Mädchen zusammen Murmeln oder hocken auf dem Gabbeh-Teppich und hören Musik. Kleinkinder wollen möglichst viel Zeit in sicherer Nähe ihrer Eltern verbringen und haben (noch) kein Bedürfnis nach Rückzug ins eigene Zimmer. Die Bereiche des Kindes und jene der Erwachsenen sind deshalb eng miteinander verbunden. Häufig findet man Spuren des Kindes in vielen Räumen der Wohnung. Nicht selten wird gar das Wohnzimmer als Gemeinschaftsraum der Familie zum eigentlichen Spielzimmer umfunktioniert.

Harmonie und Wohlfühlatmosphäre

«Das Kinderzimmer soll seinen Bewohnern Platz bieten zum Schlafen, Spielen, Lernen und sich Zurückziehen», sagt Peter Gosdenoz, verantwortlicher  Einkäufer für Kinder- und Jugendzimmer bei Möbel Pfister AG, und gibt zu bedenken: «Ein Kinderzimmer einzurichten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn der Raum soll das Kind in seiner Entwicklung unterstützen und fördern. Zudem ist eine gewisse Harmonie und Wohlfühlatmosphäre wünschenswert, damit sich das Kind in seinem kleinen Reich wohlfühlt. Und zu guter Letzt sollte das Kinderzimmer eingebettet sein in das Gesamtkonzept der Wohnung.» Nicht alle Wohnungen und Häuser können jedoch als kinderfreundlich bezeichnet werden. Heutige Wohnumwelten bieten für Kinder und Jugendliche häufig wenig Raum, den sie sich wirklich aneignen können. Die gefährliche Umgebung (z.B. Strassenverkehr) trägt das Ihre dazu bei. Die Lebensräume werden zunehmend verinselt. Eine Kindheit zwischen Schule, Sportkurs und Klavierunterricht lässt wenig Raum für Entdeckungen und bietet kaum Möglichkeiten, die eigenen Spuren zu hinterlassen. Welches Kind kann heute noch seine Hütte im Wald bauen? Und um zum nächsten Robinsonspielplatz zu gelangen, sind die Kinder meistens auf die Eltern angewiesen.

Schlafen, Spielen, Lernen und Wohnen

Die Wohnbedürfnisse der Kinder ändern sich mit ihrer Entwicklung. Fachleute unterscheiden hier zwischen drei Wohn- und Lebensphasen: ein Babyzimmer für die ein- bis dreijährigen Kinder, ein Kinderzimmer für die Vier- bis Zehnjährigen, und schliesslich ein Jugendzimmer für die 10- bis 18-Jährigen. Kleinkinder suchen noch die Nähe zu ihren Eltern und wollen möglichst oft mit ihnen zusammen sein. «Bei der Einrichtung des Kinderzimmers müssen sowohl das Alter des Kindes wie auch seine Bedürfnisse und die Platzverhältnisse des Raumes berücksichtigt werden. Ich empfehle, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Bereichen Schlafen, Spielen, Lernen und Wohnen anzustreben. Das bedeutet auch, auf das Spannungsfeld zwischen Ruhe und Bewegung Rücksicht zu nehmen, ebenso auf den Spieltrieb der Kleinen und ein kindergerechtes Mobiliar», betont Peter Gosdenoz. Kindermöbel verfügen über keine scharfen Kanten und Ecken, sondern sind wenn immer möglich gerundet. Die Oberfläche ist speichelecht. Die Funktionen der Möbel lassen sich einfach handhaben. Offene Regale und gut greifbare Ziehschubladen erlauben eine multifunktionale Nutzung mit viel Stauraum für Spiel-, Schul- und Sportsachen. «Mädchen wünschen sich oft eine Gliederung ihres Zimmers in verschiedene Bereiche wie etwa eine Kuschelecke oder Platz zum Lesen. Spiegel, Sitzecke und vielleicht eine Schminkkommode gehören deshalb ebenso dazu wie offene Regale für Accessoires, Bilder und Plüschtiere», stellt Peter Gosdenoz fest. Das Zimmer der Buben hingegen sollte vor allem funktional und auch zum Ausüben von Hobbys geeignet sein. «Buben lieben vor allem, wenn das Kinderzimmer zum Abenteuerspielplatz wird, mit Burgen Piratenschiffen und Autorennbahnen.»

Möbel wie Legosteine

Die Kindermöbelhersteller haben diese Bedürfnisse längst erkannt und bieten Möbelprogramme mit Kletterwand und Rutschbahn. «So haben die Kinder die Möglichkeit, sich auszutoben und spielerisch ihre eigene Welt zu kreieren. Wichtig ist, dass das Zimmer nicht überladen ist und genügend Freiraum zum Spielen bietet.» In Vitrinen und Regalen können Spielzeuge, Sportabzeichen oder Bücher aufgestellt werden. Einige Möbelhersteller versehen zum Beispiel die Schranktüren mit Schiefertafeln, die bemalt werden können, oder mit Plexiglas, hinter das man Zeichnungen oder Fotos schieben kann. Der neueste Trend   sind laut Peter Gosdenoz sogenannte Themenzimmer, wie es sie zum Beispiel im Stil von Legosteinen gibt. Die Möbel gleichen in Form und Farbe den Legosteinen und können einfach zusammengebaut werden. Das Programm «Formula» bringt den Formel-1-Zirkus ins Kinderzimmer. Das Bett ist ein Rennwagen, der Schreibtisch ein Boxenstopp. Auch Walt Disney mischt mit Themenmöbeln im Kinderzimmergeschäft mit. Die Möbelkollektion «Kinderstern»beispielsweise setzt auf die Kraft der Edelsteine. In jedes Möbelstück lassen sich Edelsteine einschrauben und je nach Bedürfnis des Kindes wieder auswechseln. Die Palette ist breit: sechs Edelsteine für Babys und 12 für Kinder ab drei Jahren. Die Möbel werden in der Schweiz hergestellt und sind mit kinderfreundlicher Lackierung behandelt. Wird zum Beispiel das Babybett nicht mehr gebraucht, lässt es sich in ein Sofa umfunktionieren. Auch die Technik beeinflusst die Kinderzimmereinrichtung: Da die Kinder heutzutage immer früher in Kontakt mit Computer und Neuen Medien kommen, sollte der Schreibtisch über entsprechende Halterungen und Vorrichtungen für Computer und Bildschirm verfügen. «Früher standen für die Einrichtung von Kinderzimmern meist einheitliche, kaum veränderbare Möbelprogramme zur Auswahl. Mittlerweile setzt man mehr auf flexible Lösungen mit Einzelteilen, dank denen man individuell auf die Bedürfnisse und Raumverhältnisse eingehen kann.»

Was gilt es bei der Wahl der Farben fürs Kinderzimmer zu beachten?

Im Kleinkinderzimmer sind laut Thomas Drexel, Autor des Buches «Wohnideen für Kinder», helle, warme Farben immer die richtige Wahl. «Bestens eignet sich hierfür die Gelbpalette von cremefarben über maisgelb bis zu einem kräftigen Sonnengelb, aber auch Orangetöne, im Mädchenzimmer selbstverständlich Rosa sowie ein helles Rot, Blau oder Grün. Dunkle Töne können einmal punktuell im Rahmen einer bunt gestalteten Wand oder Ähnlichem vorkommen, dürfen aber nie die Leitfarbe bilden.» Die besten Farbkombinationen fürs Kleinkinderzimmer sind ein warm und zugleich abkühlend wirkendes Gelb/Orange und helles Blau, ein belebendes und beruhigendes helles Rot und Grün – oder ein märchenhaftes und harmonisches Rosa und Hellblau. «Niedrigen Räumen tut eine einheitliche helle Raumfarbe sehr gut, da es sie höher wirken lässt. Ist ein Zimmer dagegen sehr hoch bei vergleichsweise kleiner Fläche, empfiehlt es sich, die Decke durch eine farbige Bordüre auf 80 bis 100 Zentimetern Höhe oder einen farbigen Anstrich im unteren Wandbereich visuell etwas‚ «herunterzuholen», schlägt Thomas Drexel vor. So individuell die Möbelprogramme sind, bei den Farben und Materialien setzen die Hersteller besonders bei Möbeln für Kleinkinder und Vier- bis Achtjährige eher auf bewährte Lösungen. Das heisst: rosa für Mädchen, hellblau für Buben «Zarte Farben herrschen bei Kleinkindern vor, währenddem bei ältern Kindern und Jugendlichen auch kräftige Farbakzente zu beobachten sind», so Peter Gosdenoz. Bei den Materialien verwenden die Hersteller ebenfalls helle Lösungen, zum Beispiel mit Deko-Spanplatten in Ahornoptik und Metallverstrebungen. Damit das Möbel mit der Entwicklung des Kindes mitwächst, kann es nicht nur in der Funktion und Höhe verändert werden – auch die Farbgebung passt sich dem Kind an. Dafür sorgen auswechselbare Farbplatten, dank denen ein Schrank oder Korpus im Nu ein neues, zum Beispiel knalliges Gesicht erhält.

Möbel veredeln

Mit dem Alter wandeln sich auch die Anforderungen an den notwendigen Stauraum. Es sammeln sich zunehmend mehr Spielzeuge, Kleidung und Accessoires an. Charmante antike Schränke, Kommoden und Truhen können optisch weniger ansprechende Ordnungssysteme wie etwa Aufbewahrungsboxen aus Pappe oder Kunststoff aufnehmen. Je nach gewähltem Farb- und Themenmotto entstehen bei der Veredelung von unbehandelten Massivholzmöbeln wahre Kunstwerke. Ins Seemannzimmer passt zum Beispiel ein in Blau und Weiss gestrichener Schrank, auf den Sand, Muscheln und Seesterne geklebt werden. Die Segel eines aus Sperrholz ausgesägten Bootes können dann etwa über die Schranktüren hinausragen. Wohnt die kleine Fee in einem Blumenwiesenzimmer, übernimmt die Baumkrone die Rolle des Segelbootes, beim Prinzessinnenzimmer ist es die kunstvoll ausgesägte Krone.

Vom Kinder- zum Jugendzimmer

Im Lauf der Zeit verändern sich die Wohnbedürfnisse der Kinder bzw. Jugendlichen. Sie möchten lieber weit weg sein von den Eltern, alleine im Zimmer, irgendwo im Keller, Estrich oder ganz am Ende des Ganges. Das Bedürfnis nach Distanz zu den Eltern steigt von Jahr zu Jahr. Das eigene Zimmer wird zur Insel inmitten der autoritären, von Eltern und Lehrern «beherrschten» Welt. Einfach die Türe hinter sich zuknallen, sich aufs Bett schmeissen und die Sorgen des Alltags vergessen. Im Bauch die ersten Schmetterlinge flattern spüren, getroffen von Amors Liebespfeilen romantische Luftschlösser bauen. Laute Musik dröhnt aus der Stereoanlage. An der Wand hängen Poster der Stars und Sternchen, und auf dem Nachttischchen lächelt die erste grosse Liebe aus dem kitschigen Goldrahmen. Die Kindermöbel wurden ausgetauscht gegen neue, trendige Modelle oder solche aus der Brockenstube. Schwarz, pink, neongelb, rot – alles, was das Teenager-Herz begehrt und ins Budget passt. «Jugendliche wollen in ihrem Zimmer Spuren hinterlassen, selber den Raum nach ihren Vorstellungen gestalten, ohne auf den Geschmack der Eltern Rücksicht nehmen zu müssen. Die Jungen leben in ihrem Zimmer bereits eine gewisse Form der Eigenständigkeit aus.»