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Cybergrooming – wie Eltern ihr Kind schützen können

Dieser Mord hat im vergangenen Sommer ganz Deutschland in Atem gehalten: Die 14-jährige Ayleen wurde Ende Juli von einem vorbestraften Sexualstraftäter ermordet. Das Verheerende dabei ist, dass der Täter das Mädchen in einem Online-Chat des beliebten Game Fortnite kennengelernt hat und mehrere Monate mit ihr Kontakt hatte, bevor es zur verhängnisvollen Begegnung im realen Leben gekommen ist. Wie können Eltern vorgehen, um ihr Kind vor solchen Gefahren zu schützen?

Bild: © Ground Picture/shutterstock.com

Der Fall Ayleen hat schockiert und viele Eltern wurden sich dieser Gefahr erst jetzt bewusst. Solche Fälle einer Kontaktaufnahme im Online-Bereich, welche Erwachsene mit sexuellen Absichten zu Minderjährigen anbahnen, nennt man Cybergrooming. Fälle von Cybergrooming nehmen seit einigen Jahren massiv zu.

Dieser Mordfall macht wohl allen Eltern klar: Kinder müssen über Cybergrooming aufgeklärt werden! Dazu sollten Eltern ihrem Kind zunächst mal erklären, was Cybergrooming genau ist und wie Täter von Cybergrooming vorgehen können.

Was ist Cybergrooming genau und wie gehen Täter vor?

Beim Cybergrooming versuchen Erwachsene einen vertrauensvollen Kontakt zu ihren meist minderjährigen Opfern anzubahnen, um sie im weiteren Verlauf nach persönlichen oder intimen Informationen zu befragen, Nacktbilder zu erhalten oder gar ein Treffen im realen Leben zu erreichen, um ihr Opfer dann sexuell zu missbrauchen. Dabei wird meist Druck aufgebaut, indem mit diversen Drohungen, z. B. Ausschluss aus dem (Game-)Forum oder Verbreitung intimer Informationen, den Minderjährigen Angst gemacht wird.

Wie Täter von Cybergrooming vorgehen

Die Täter gehen strategisch und meistens nach dem gleichen Muster vor: Sie suchen mit Fake-Profilen den Kontakt zu jungen Menschen, erschleichen sich ihr Vertrauen, binden sie emotional an sich, verwickeln sie in sexuelle Gespräche und Handlungen und sorgen dafür, dass sie niemandem davon erzählen.

Beispiele, wie Cybergrooming anfangen kann

Die 12-jährige Leonie spielt gerne Roblox auf ihrem neuen Handy. Als sie eines Tages von einem ihr Unbekannten eine grosse Menge der Spielwährung Robux geschenkt bekommt, beginnt sie mit diesem zu chatten. Der Unbekannte stellt sich ihr als 14-Jähriger vor und bietet Leonie an, ihr noch mehr Robux zu schenken, wenn sie ihm Bilder von ihrer Unterwäsche schickt.

Markus ist 13 und spielt viele seiner Games über die bekannte Online-Plattform Steam. Irgendwann bekommt er eine Chatnachricht von einem User, der ihm bis dahin unbekannt war. Dieser stellt sich ihm als 14-jährige Laura vor, die total begeistert von seiner Spielesammlung ist. So kommen beide langsam ins Gespräch, bis Laura vorschlägt, sich mal ganz spontan zum gemeinsamen Zocken zu treffen.

Welche Regeln sollten Eltern mit ihrem Kind abmachen, um Cybergrooming zu verhindern?

  • Es macht natürlich Sinn, wenn man mit seinem Kind einige grundsätzliche Regeln zum Schutz vor Cybergrooming abmacht. Dazu könnte man folgende Grundregeln gemeinsam festlegen:
  • Vertraue nicht jedem! Du kannst nicht wissen, wer sich wirklich hinter einem Profil versteckt und was für Absichten er oder sie hat.
  • Geh sparsam mit deinen persönlichen Daten um und schütze deine Online-Profile, sodass nicht jeder dich sehen und kontaktieren kann. Gib nie deinen echten Namen (verwende Pseudonyme), deine Telefonnummer, Adresse oder Schule an.
  • Verschicke keine Fotos oder Videos! Besonders keine intimen Sachen von dir selbst.
  • Lasse dich niemals auf ein reales Treffen ein!

Wichtig zu wissen

Trotz aller Gefahren können Online-Freundschaften im Leben mancher Kinder eine wahre Bereicherung sein, weshalb vor einem allgemeinen Verbot abzuraten ist! Deshalb solltest du mit deinem Kind auch besprechen, wie es sich absichern kann, wenn es mal eine Online-Freundschaft vertiefen möchte. In diesem Fall ist es ratsam zuerst mal einen Videocall (z.B. über Skype – ohne Telefonnummer!) zu starten, damit man sehen kann, mit wem man es wirklich zu tun hat.

Aber auch nach einem solchen Videocall muss man vorsichtig bleiben, wenn es um ein Treffen im realen Leben geht. Will sich dein Kind unbedingt mit einer Online-Bekanntschaft verabreden, sollte das Treffen auf einem öffentlichen Platz und bei Tageslicht statt-finden. Am besten du oder eine andere erwachsene Person begleitet das Kind zum Treffen.

Mit diesen Abmachungen sollte dein Kind sicher sein vor Cybergrooming. Trotzdem sollten Eltern weiterhin interessiert bleiben, was ihr Kind im Netz treibt, mit wem es in Chats kommuniziert und welche neuen Bekanntschaften es dort macht. Eine vertrauensvolle und offene Beziehung in Bezug auf digitale Themen sind ein wichtiger Sicherheitsfaktor und deshalb dürfen Eltern ihr Interesse aktiv zeigen und sich von ihrem Kind seine digitale Umwelt erklären und zeigen lassen. Am besten noch heute!

Zur Person

Ben Fisch, dipl. Sozialpädagoge BA, 35 Jahre alt, ist Sozialpädagoge und der erste Experte für Medienerziehung, der selbst auch ein Digital Native ist, also selbst mit digitalen Medien gross geworden ist und somit auch die Perspektive des Kindes und seiner Mediennutzung bestens kennt. Er führt den einzigartigen Youtube-Kanal «Lösungen für die Medienerziehung», coacht und berät Eltern und Institutionen mit seinen bewährten Strategien im Bereich der Medienerziehung und arbeitet als freier Autor.