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Das erste eigene Handy

Mehrere Studien zeigen seit Jahren den gleichen Trend: Immer mehr Kinder erhalten immer früher ein eigenes Handy. Auf der anderen Seite werden Verbote von eben solchen Handys für Kinder gerade überall diskutiert.

© 2023 Miljan Zivkovic/Shutterstock

Neueste Umfragen zeigen, dass mehr als ein Viertel der Teenager einen problematischen Handykonsum hat. Zudem gibt die Mehrheit der Eltern an, dass sie ihrem Kind ein Handy kaufen, weil sie nicht wollen, dass ihr Kind ausgeschlossen wird. Aber ist der soziale Status des Kindes wichtiger als seine Sicherheit? Was sollten Eltern beachten, wenn sie ihrem Kind ein Handy anvertrauen wollen?

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Leider gibt es hier kein pauschales Alter als Orientierung. Es geht eher darum, ob das Kind schon eine gewisse Selbstkontrolle in Bezug auf seinen Medienkonsum aufweisen kann. Fühlt es sich schon jetzt den ganzen Tag zu Medien hingezogen und hat Mühe mit der Beendigung der Medienzeiten, ist es wohl eher nicht zu empfehlen. Hier sollten Eltern eine klare Haltung einnehmen: Nur wer die Reize der digitalen Welt kon-trollieren kann, sollte mehr davon erhalten! Sie würden auch nicht noch mehr Süssigkeiten kaufen, wenn sich Ihr Kind jetzt schon jeden Tag damit vollstopft.

Allerdings können Eltern den Wunsch nach einem eigenen Handy als Motivator nutzen, damit das Kind einen Antrieb hat, um seine Mediennutzung besser zu kontrollieren: «Wenn du die Medienzeit selbstständig beenden kannst – ohne Diskussionen und ständige Erinnerungen – dann zeigst du uns, dass du auch die Reize eines Handys kontrollieren könntest.»

Ein weiteres Indiz wären die bildschirmfreien Interessen des Kindes. Ist das Kind jetzt schon von den digitalen Reizen so sehr angetan, dass es sich kaum mehr für bildschirmfreie Aktivitäten interessiert, sollten zuerst solche analogen Beschäftigungen im Alltag gefördert werden. Ansonsten läuft man Gefahr, dass das Kind mit einem weiteren Gerät komplett überfordert wird und die Langeweile der bildschirmfreien Zeit nicht mehr selbstständig bewältigen kann.

Die richtige Vorbereitung

Bevor das Kind ein eigenes Handy erhält, macht es Sinn, einige Fragen gemeinsam zu klären: Wofür möchte das Kind ein Handy haben? Wohin wird es mitgenommen oder auch nicht? Darf es mit in die Schule? Welche Apps möchte das Kind nutzen? Wie lange soll das Handy genutzt werden? Wo ist es, wenn es nicht genutzt wird? Hier geht es darum, die Erwartungen des Kindes zu relativieren.

Zudem könnte man hier auch darauf kommen, dass z.B. für die Kommunikation mit Freunden alternativ auch eine entsprechende Messenger-App auf einem vorhandenen Gerät installiert werden könnte, anstatt dafür dem Kind gleich ein eigenes Handy zu geben. Dies ist auch mit eigener Nummer/SIM-Karte für das Kind möglich.

Empfehlung: Wenn Eltern klar kommunizieren, dass in den ersten Wochen oder Monaten eine Probezeit für das neue Gerät stattfindet, erhöht dies die Motivation des Kindes, sich an die Regeln und Abmachungen zu halten.

Zuletzt braucht es sicherlich auch Gespräche über diverse neue Risiken, die das Kind nun betreffen – hier nur eine beschränkte Auswahl:

  • Bildrechte (gilt auch für Video-/Tonaufnahmen)
  • Umgang in Chats, Cybermobbing
  • Anonymität und Privatsphäre (keine persönlichen Informationen preisgeben)
  • Cybergrooming (Kontakt zu Pädophilen über Chats oder Social Media)
  • Mutproben/Challenges
  • Anziehungsstrukturen von Minigames und Social Media
  • In-App-Käufe und Lootboxen in Minigames
  • Fake News und Extremisierung durch Social Bubbles
  • Online-Betrug, Phishing und gute Passwörter
  • FOMO (Fear Of Missing Out – uns wird ständig Angst gemacht, etwas zu verpassen)

Klarheit und Struktur verhindern Überforderung

Nebst dem, dass nur mit einem sicheren Elternpasswort neue Apps heruntergeladen werden sollten, empfiehlt es sich, das Kind nicht mit zu vielen Apps zu überfordern. Drei bis fünf Apps reichen für den Anfang vollkommen aus. Danach kann man schrittweise alle paar Wochen die Apps ersetzen oder neue herunterladen. Aber auch hier gilt: Nur wer die Reize der bisherigen Apps kon-trollieren kann, sollte mehr davon erhalten!

In Bezug auf die Nutzungszeiten werden diese sehr oft durch Kontrollapps eingeschränkt. Allerdings können solche Kontrollapps sehr leicht umgangen werden. Zudem ist hier nicht das Ziel, dass das Kind vom Handy kontrolliert wird, sondern umgekehrt: Das Kind soll lernen, das Handy und die entsprechenden digitalen Reize selbst zu beherrschen. Deshalb empfiehlt es sich das Handy eher physisch zu strukturieren, also indem man eine Handybox (kann auch als Handygarage/-hotel/-schloss gebastelt werden) einrichtet und klare Handyzeiten oder handyfreie Zeiten abmacht. Während Mahlzeiten, vor dem Schlafengehen und in der Nacht sollte das Handy nicht beim Kind sein.

Aber wie sollten Eltern das Handy ihres Kindes kon-trollieren, wenn nicht mit einer Kontrollapp? Bei vielen Eltern hat es sich bewährt, mit dem Kind gemeinsam etwa einmal in der Woche das «Digital Wellbeing» auf seinem Handy zu analysieren. Dort werden alle Nutzungszeiten der einzelnen Apps pro Tag angezeigt. Somit kann man mit dem Kind zuerst schauen, welche Zeit es vermutet und dann nachschauen, ob es stimmt. Bei jüngeren Kindern kann man auch noch die Inhalte der Chats gemeinsam besprechen und kurz durchschauen.

Was, wenn es doch nicht funktioniert mit dem ersten eigenen Handy?

Wenn man eine Probezeit abgemacht hat, kann man die Einführung des Handys durchaus verschieben. So oder so sollte man darauf achten, dass man das Kind sozial nicht komplett abkoppelt. Messenger-Apps sollten also mindestens für wenige Minuten am Tag, am besten begleitet, genutzt werden dürfen. Ansonsten sollte die Handynutzung von einer minimalen Nutzung weniger Apps stufenweise gesteigert werden, ähnlich wie in der Einführung.

Was sehr oft vergessen geht: Das Gehirn der Kinder ist oftmals noch nicht in der Lage, die digitalen Reize zu relativieren und zu kontrollieren. Das bringt auch mit sich, dass bildschirmfreie Aktivitäten nicht nur demotivierend, sondern wie die absolute Folter wahrgenommen werden. Hier sollten die Kinder von den Eltern eng begleitet werden, damit sie lernen, diese Emotionen zu relativieren. Kinder dürfen hier lernen, dass man eben nicht sofort tot umfällt, wenn man dem Druck der digitalen Reize und der FOMO-Angst, die daraus entsteht, einfach standhält. Und wenn man sich trotz anfänglicher Demotivation an eine bildschirmfreie Aktivität zwingt, das hohe Risiko besteht, dass man tatsächlich doch noch Spass daran hat! Für viele Kinder eine ganz neue und wiederbelebende Erfahrung.

Bonus-Tipps

Zum Schluss, aber besser von Anfang an, dürfen Eltern die sinnvolle Handynutzung ihres Kindes fördern. Ich empfehle da Apps wie «Wo ist Goldi?», «Erhard City», «Die Müll AG» und «Anton» oder die Plattform «Sherlock Phones». Mehr solche grossartigen Apps findest du auf meinem YouTube-Kanal «Lösungen für die Medienerziehung».

Für eine reibungslose Vorbereitung oder bei anhaltenden Schwierigkeiten ist es definitiv angebracht, sich professionelle Unterstützung zu holen. Eine Möglichkeit dazu ist das Modul «Erstes Handy», welches ich als Videokurs anbiete. Dort wird mit einem glasklaren Konzept und einer Schritt-für-Schritt-Einführung genau dafür gesorgt, dass dein Kind nicht zum Smombie (Smartphone-Zombie) wird, sondern das Handy auch mal von sich aus weglegen kann. Damit verhinderst du all die Probleme, vor denen andere Eltern und Fachpersonen warnen. Mehr Infos dazu findest du auf meiner Homepage www.kidstipp.com.