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Interview mit Isabella Steffen-Meister

Isabella Steffen-Meister ist Mutter von zwei Kindern und Leiterin und Gründerin von «solotuttithurn» Zentrum für Musik in Solothurn, Musik-pädagogin und Didaktiklehrerin für musikalische Früherziehung und Grundschulung sowie Gründungs- und Vorstandsmitglied im Verein Eltern-KindSingen.

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swissfamily: Weshalb sollten schon kleine Kinder in Kontakt mit Musik kommen?

Isabella Steffen-Meister: Ich gehe davon aus, dass Musik und musikalische Bildung zum Menschen gehören, dass alle Menschen musikalisch, das heisst generell offen und empfänglich für Musik sind und die musikalische Intelligenz genau so bedeutsam für den Menschen ist wie etwa die sprachliche oder mathematische. Deshalb plädiere ich für ein Menschenrecht auf musikalische Bildung, und zwar nicht mit der Begründung, sie mache intelligenter, sozialer oder kreativer, wenn das auch wichtige Nebenerscheinungen der Musikalisierung sein können. Musik trägt ihren Sinn und Zweck in sich selbst. Der eigentliche Beginn der musikalischen Entwicklung ist im Mutterleib zu finden. Daran gilt es, mit Musikstunden für Eltern mit Babys ab ca. drei Monaten anzuknüpfen. Die Grundlagen der Musik wie Rhythmus, Klangfarbe, Melodie, Dynamik und Form werden im Dialog zwischen Mutter und Kind schon pränatal wahrgenommen. Nach der Geburt übernehmen die Eltern die «musikalische Früherziehung» mit einem geeigneten Liedrepertoire, mit Versen und Spielen zum Liebkosen und Necken. Diese Musikkurse bieten dazu die nötigen Erfahrungsgelegenheiten und geeignetes Lied, Vers und Spielmaterial sowie viele Anregungen für den musikalischen Alltag mit Babys und Kleinkindern.

Kann man ein Kind zur Musikalität erziehen?

Je mehr, je früher und facettenreicher das Kind musikalische Erfahrungen machen kann, desto intensiver und vielfältiger entwickeln sich die jedem Menschen gegebenen musikalischen Anlagen, die natürlich unterschiedlich sind. Nicht Zuschütten und Auffüllen mit Stoff und einseitiges Drängen zu möglichst frühen Reproduktionen sind hier gemeint; denn seinem inneren Schatz, seinen eigenen Empfindungen und Äusserungen vertrauen kann nur, wer als Baby und Kleinkind in seinem «musikalischen Kritzelstadium» Liebe, Vertrauen und Ermutigung von seinen Eltern und Lernbegleiter(inne)n erfahren durfte.

Was kann ich als Mutter oder Vater zuhause tun, wenn es in meiner Umgebung kein professionelles, frühmusikalisches Angebot für mein Kind gibt?

Man kann sich beispielsweise mit anderen Familien zusammentun und gemeinsam mit dem vorhandenen Lied und Spielrepertoire mit den Kindern singen und musizieren. Küchengeräte eignen sich vorzüglich als Rhythmusinstrumente. Zu ansprechender Musik ab CD kann bereits mit Babys lustvoll getanzt werden. Eltern sollten Lust verspüren zu singen und das Singen als Energiequelle und wunderbare Kommunikationsmöglichkeit entdecken. Singen – und auch Spielen – bedeutet, sich emotional auszudrücken. Jede Mutter und jeder Vater sollte die emotionale Hinwendung zum Kind auch durch Singen ausdrücken, wie umgekehrt jedem Kind der Gesang von Mutter und Vater doch vertraut sein müsste.

Gibt es Musik, die sich für jüngere/kleine Kinder besonders eignet?

Ich finde jede Art von Musik, die Kinder und Erwachsene anspricht, geeignet, ob alte oder neue, in welchem Stil auch immer, vorausgesetzt sie ist authentisch und qualitativ gut gemacht. Bei LiederCDs sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass «richtig» und nicht zu tief , das heisst mit der Randstimme/Singstimme gesungen wird, sonst lernen die eifrigen und lernwilligen Kleinkinder nicht singen, sondern brummen oder brüllen mit der Brust/Sprechstimme. Es reicht aber nicht aus, den Kindern nur Musik von Tonträgern vorzuspielen! Aktives Musizieren fasziniert das Kind und weckt sofort seinen Spiel und Experimentiertrieb. Indem Eltern und Lernbegleiter(innen) das Kind bei seiner musikalischen Eigenaktivität unterstützen, wird die wichtige Brücke zum dauerhaft anhaltenden, lustvollen und engagierten Musizieren gelegt. Der Wunsch nach Unterweisung auf einem Instrument wird die natürliche und logische Folge sein.

Sie sind Vizepräsidentin des Vereins ElternKindSingen. Welche Ziele verfolgt ihr Verein?

Der Verein ElternKindSingen will das frühkindliche MusikErleben fördern und klärt die Öffentlichkeit über die grosse Bedeutung des Singens und Musizierens auf. Ausserdem befasst er sich mit den theoretischen Grundfragen des ElternKindSingens, leistet Starthilfe bei Angeboten für das ElternKindSingen und sorgt für Aus und Weiterbildung von Leiter(innen).