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«Wir müssen die Rückenprobleme ernst nehmen»

Rückenprobleme bei Kindern und Jugendlichen sind weit verbreitet. Unter den 11-Jährigen kennt bereits fast jedes dritte Kind Rückenschmerzen. Mit steigendem Alter sind es sogar noch mehr. Die Chiropraktoren machen deshalb mit einem speziellen «Rückentag» auf das Problem aufmerksam. Doch woher kommen die Ursachen? Und wie sollen Eltern damit umgehen, wenn ihr Kind über Rückenschmerzen klagt? Doktor Mette Hobaek Siegenthaler ist Fachchiropraktorin und erklärt, worauf geachtet werden soll, damit die Schmerzen nicht chronisch werden.

Bild: © New Africa/Shutterstock.com

Die Zahlen sprechen für sich: Jedes zweite Kind zwischen elf und sechzehn Jahren hat Probleme mit der Wirbelsäule. Gab es bereits in früheren Jahren so viele Kinder mit Rückenproblemen oder ist das Phänomen neu?

Rückenschmerzen bei den Kindern wurde früher oft bagatellisiert. Aus Studien wird klar, dass Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen viel häufiger sind, als wir früher angenommen haben. Heute wissen wir, dass wir diese Rückenprobleme ernst nehmen müssen. Unter den 11-Jährigen hat bereits fast jedes dritte Kind schon einmal Rückenschmerzen gehabt. Bei den 15-Jährigen sind es schon 47 Prozent. Je häufiger ein Schulkind unter Rückenschmerzen leidet, desto grösser ist das Risiko, dass die Rückenprobleme im Erwachsenenalter chronisch werden.

Der Hauptgrund ist der Bewegungsmangel oder der Gegensatz zu viel Sport. Gibt es daneben noch weitere Faktoren, die zu Rückenproblemen führen?

Es können auch genetische Komponenten sein, die Rückenschmerzen auslösen. Psychischer Stress und häufig auch Bauch- und/oder Kopfschmerzen gehören ebenfalls zu den Faktoren, die Rückenschmerzen mit sich ziehen können.

Was bewirkt der Bewegungsmangel oder übertriebener Sport im Rücken?

Bewegungsmangel kann zu Muskelschwächen und Übergewicht führen. Beides tut dem Bewegungsapparat nicht gut. Anderseits kann auch zu viel Sport in jungen Jahren schaden, weil der Bewegungsapparat während des Wachstums auf einwirkende Kräfte empfindlich reagiert. Gelenke, Knochen, Sehnen und Muskeln können überbeansprucht und der Rücken zu stark belastet werden.

Haltungsschäden machen sich nicht nur im Rücken bemerkbar. Mit welchen Problemen haben Kindern und Jugendlichen häufig zu kämpfen?

Zu beobachten sind Nacken-, Schulter- und Kopfschmerzen durch vornübergebeugte Kopfhaltung und schlechte Haltung bei den Hausaufgaben. Aber auch Kinder mit Schulter- und Armschmerzen aufgrund ergonomisch ungünstiger Haltung der Schreibstifte kommen in der Praxis vorbei. Dann sehe ich auch verkürzte Muskeln in den Beinen aufgrund mangelhafter Bewegung. Dies kann zu einer Verdrehung im Beckenbereich und einer Haltungsschwäche führen.

Zu wenig ist also nicht gut, zu viel aber auch nicht. Wie sollte ein Alltag aussehen, damit es keine Rückenprobleme gibt?

Ideal sind häufige Pausen zwischen den Sitzeinheiten, die mit Bewegung gestaltet werden. Sitzen muss generell immer wieder mit Bewegungspausen unterbrochen werden. Ein sportliches Hobby ist ausserdem sehr zu empfehlen.

Wie sieht die Behandlung aus, wenn betroffene Kinder und Jugendliche zu Ihnen kommen?

Zunächst wird die Krankengeschichte abgefragt. Danach wird die Patientin oder der Patient untersucht. Nach der Untersuchung erfolgt eine Besprechung der möglichen Behandlung. Je nach Befund wird eine entsprechende Behandlung eingesetzt. Die bekannteste chiropraktische Behandlungsmethode ist die Manipulation von Gelenken. Dabei wird mit einem kurzen Impuls ein blockiertes Gelenk gelöst. Dieses ist absolut schmerzlos und kann auch bei Kindern jeden Alters gut eingesetzt werden. Ziel ist die Wiederherstellung der normalen Beweglichkeit des Gelenks und die reflektorische Entspannung der umliegenden Muskulatur.

Am «Rückentag» im November untersuchen Chiropraktoren jeweils den Rücken von Kindern und Jugendlichen kostenlos. Diese Aktion soll dabei helfen, frühzeitig Haltungsschäden und Fehlhaltungen zu erkennen und damit langfristig Rückenprobleme vermeiden zu können. Wie ist die Resonanz?

Eltern schätzen diese kostenlose Untersuchungsmöglichkeit während des Rückentags sehr. Die teilnehmenden Praxen sind jeweils gut besucht und zum Teil auch früh ausgebucht. ChiroSuisse, der Verband der Schweizer Chiropraktorinnen und Chiropraktoren, führt jeweils ab September auf der Website www.chiropraktik-rueckentag.ch eine Liste der teilnehmenden Praxen.

Fall Laura

Die 9-jährige Laura sitzt im Sprechzimmer mit einem erleichterten Lachen. Jetzt ist sie wieder schmerzfrei und entspannt. Die letzten drei Wochen waren für Laura keine leichte Zeit.

Laura ist ein gesundes Mädchen. Sie liebt es, sich zu bewegen. Sie geht in die 3. Klasse und spielt einmal die Woche Fussball. Aufgrund von Sportverletzungen kam sie bereits ein paarmal in die Praxis von Dr. Mette Hobaek Siegenthaler, Fachchiropraktorin SCG/ECU.

Laura klagte über Nackenschmerzen. Vor drei Wochen nach einem Kopfball im Training haben die Schmerzen begonnen, ihr Rücken verspannte sich. Laura konnte in der Schule kaum mehr dem Unterricht folgen. Die Lehrerin teilte der Mutter mit, dass Laura in der Schule müde und unkonzentriert sei.

Die Mutter meldete Laura bei der Expertin für Schmerzen im Nacken und Rückenbereich Dr. Mette Hobaek Siegenthaler an. Nach der Befragung und Untersuchung entscheidet sich die Chiropraktorin, eine Röntgenaufnahme von Lauras Wirbelsäule zu machen. Das Röntgenbild zeigt eine Streckhaltung der Wirbelsäule, aber keine Fraktur. Zudem stellt sie durch die manuelle Abtastung der Wirbelsäule fest, dass es sich um eine funktionelle Störung handelt, die sich leicht beheben lässt.

Aufgrund des harten Aufschlags des Balls auf Lauras Kopf wurden ihre Halswirbelgelenke blockiert und ihre Muskulatur stark angespannt.

Dr. Hobaek Siegenthaler konnte Laura mit wenigen Handgriffen von den Schmerzen befreien. Durch ihre manuellen Impulse konnte sie die blockierten Gelenke lösen. Dabei wurde ein leichtes Knacken hörbar.

Die Muskulatur entspannte sich. Zum Schluss hat die Fachchiropraktorin Laura zwei Übungen gezeigt, mit welchen sie ihre Rücken und Nackenmuskulatur stärken kann. Für Laura dauerte die Behandlung nur wenige Augenblicke und war absolut schmerzfrei.

Die Müdigkeit verschwand und in der Schule kann sie sich wieder bestens konzentrieren. Laura nimmt wieder uneingeschränkt am Schulsport teil und spielt wieder mit Begeisterung Fussball.

Zur Person

Dr. Mette Hobaek Siegenthaler, Fachchiropraktorin SCG/ECU, praktiziert seit 20 Jahren in Basel, wo sie eine eigene Praxis führt. Sie ist spezialisiert auf Muskel-Skelett-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Mette Hobaek Siegenthaler studierte in Kalifornien Chiropraktik und hat einen Master in Advanced Health.