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Dein Nackt-Selfie in der Öffentlichkeit?

Das Verschicken und Veröffentlichen von privaten Bildern und Videos gehört für Jugendliche zum digitalen Alltag. Aber ein Intimes Bild am falschen Ort kann unerwünschte Konsequenzen haben. Experten sind sich einig: Um zu sensibilisieren sind pragmatische Ideen und Botschaften gefragt

Bild: © Shutterstock

«Chum schick mal es Pic vo dine Brüscht!» Aufforderungen wie dieser ist etwas mehr als jeder sechste über 18-jährige Jugendliche schon einmal nachgegangen, oder hat von sich aus ein aufreizendes Selfie verschickt. Das hält die aktuelle «JAMES-Studie» der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) fest.

Daran, dass heute so gut wie jeder ein Smartphone inklusive Kamera besitzt haben wir uns längst gewöhnt und die damit verbundene Bilderflut gehört zum heutigen digitalen Lifestyle. Doch kommen junge Menschen mit diesen Möglichkeiten der schnellen Bildproduktion und deren Verbreitung klar? Wissen sie, was sie tun, wenn sie ein intimes Bild von sich herstellen und – gewollt oder ungewollt – weitergeben?

Kinder produzieren Kinderporno

«Die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen sind sich der Risiken im Zusammenhang mit ihrer digitalen Privatsphäre bewusst. Was nicht heisst, dass kein Risikoverhalten auftritt», sagt Judith Mathez von der Beratungsstelle für digitale Medien in Schule und Unterricht (imedias) der Pädagogischen Hochschule FHNW. Dem teilweise unbedachten Umgang mit digitalen Medien liege häufig ein noch wenig ausgebildetes Bewusstsein für die Konsequenzen eigener Handlungen zu Grunde. Normaler, jugendlicher Leichtsinn also.

Dieser Leichtsinn kann mitunter schwerwiegende Konsequenzen haben. Die Abteilung Jugend und Prävention der Kantonspolizei Polizei Basel Stadt veranstaltet in allen fünf Primarstufen Medientrainings, unterstützt die Kinder im Umgang mit Social Media – und ist manchmal gezwungen mit rechtlichen Mitteln einzugreifen: «Wenn ein Jugendlicher unter 16 ein Nacktbild von sich verschickt, ist das faktisch Kinderpornografie und die Person macht sich strafbar. Da es sich dabei um ein Offizialdelikt handelt, sind wir von Gesetzeswegen verpflichtet eine Anzeige zu machen. Für uns ist das dann eine schwierige Situation», erzählt Polizist Pascal Widmer. Auch Mobbing oder sexuelle Belästigung beschäftigen die Jugendbeauftragten der Polizei.

Die Faustregel

Um junge Menschen diesbezüglich zu sensibilisieren sei es zentral, dass sie um den Wert ihrer eigenen Privatsphäre wissen ­– und lernen, dass potenzielle Empfänger eines Bildes allenfalls ein anderes Verständnis davon haben, sagt Sarah Genner, Medienwissenschaftlerin an der ZHAW und am Berkman Center for Internet & Society at Harvard University.

Es scheint, als sei diese grundsätzliche Sensibilisierung wichtig für einen bewussten und gekonnten Umgang mit der eigenen digitalen Privatsphäre. Jugendliche brauchen demnach keine Aufpasser, aber konkrete und einfache Leitsätze, an denen sie sich orientieren können. Das ist auch Sarah Genners Ansatz, wenn es um Prävention geht: «Eine gute Faustregel ist, sich vor dem Veröffentlichen von Informationen bildlich vorzustellen, man stehe etwa am Hauptbahnhof Zürich mit einem grossen Schild, auf dem das Bild oder der Text, den man gerade hochladen möchte, gross aufgedruckt ist.»

«Teil der Erziehungsarbeit»

Eine ähnlich pragmatische Form der Sensibilisierung sind auch technische Tools, die ansetzen, bevor überhaupt problematisches Bildmaterial entsteht. Das Schweizer Start-up soomz.io etwa hat einen kleinen Schieber entwickelt, der vor die Handy- oder Laptop-Kamera geklebt wird und so ermöglicht, diese zu verschliessen und vor jedem Foto zu öffnen. Dieses bewusste «Öffnen» der Privatsphäre kann nicht nur Jugendlichen helfen, den Umgang mit heiklen Fotos und Videos nochmals zu überdenken. «Eigentlich haben wir den Schieber entwickelt, um Webcams vor Hackern zu schützen», erklärt Geschäftsführer Roel de Haan. «Schnell wurde uns aber bewusst, dass das manuelle Öffnen und Schliessen der Kamera auch eine sensibilisierende Wirkung auf die Anwender hat.»

Dass ein «Pic vo Brüscht» oder anderen Intimitäten unüberlegt weitergereicht werden, sollte also dank entsprechender Sensibilisierung bald weit weniger oft passieren. Es sei aber nach wie vor wichtig, Jugendliche zu begleiten sagt Polizist Pascal Widmer: «Medienkompetenz zu fördern ist heute ganz einfach Teil der Erziehungsarbeit.»