Kinderfüsse brauchen Auslauf und frische Luft, um zu kräftigen, gesunden Füssen heranzuwachsen. Doch oft sieht der Alltag anders aus: Sie fristen ein Leben in zu kleinen, zu engen oder zu grossen Schuhen und kommen kaum raus ans Licht.
Gut zu Fuss – ein Leben lang
Heute können wir es kaum glauben: In China wurden Mädchen jahrhundertelang die Zehen gebrochen und die Füsse anschliessend unter Qualen zusammengebunden, sodass sie nicht grösser als zehn Zentimeter wurden. Der grausame Brauch der sogenannten Lotus- oder Lilienfüsse entstand um 975 am chinesischen Kaiserhof, angeblich weil dem Kaiser die kleinen, spitzen Füsse gefielen. In der Folge sollten hauptsächlich Mädchen aus guten und angesehenen Häusern möglichst kleine Füsse haben. Selbstverständlich war dieses «Schönheitsideal» auf natürlichem Weg nicht zu erreichen, weshalb mit gewaltsamen Methoden nachgeholfen wurde. Erst 1949, nach der Gründung der Volksrepublik China, wurde der Brauch unter Mao Zedong endgültig verboten. Glücklicherweise sind diese Zeiten vorbei. Allerdings tragen heutzutage viele Kinder zu kleine Schuhe, insbesondere auch zu kleine Hausschuhe. Das ist nicht verwunderlich, denn die Kleinen sagen selten, wenn und wo sie der Schuh drückt. Trotzdem: Kleinkinderfüsse wachsen monatlich bis zu zwei Millimeter – das macht bis zu drei Schuhgrössen pro Jahr aus. Doch sobald die kleinen Füsse keinen Platz mehr in den Schuhen haben, können sie nicht mehr richtig abgerollt werden. Konkret bedeutet das, dass der Vorderfuss gestaucht, gespreizt und auf diese Weise bereits früh geschädigt und gar deformiert werden kann. Lassen Sie es nicht so weit kommen und halten Sie stets ein Auge darauf. Kontrollieren Sie regelmässig die Schuhgrösse Ihrer Kinder. Immer noch beliebt ist die Daumenprobe, die jedoch nicht infrage kommt, wenn die Schuhe vorne zu eng genäht oder zu hart sind. Dann lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob der Schuh genügend– also eine Daumenbreite – Platz vorne hat. Messen Sie deshalb regelmässig zuerst die Kinderfüsse und danach den Schuhinnenraum genau aus. Das ist sehr wichtig, denn weder in zu kleinen noch in zu gros-sen oder zu weiten Schuhen finden die kleinen Füsse genügend Halt.
Messen statt raten
Laut Fachleuten gelten für den richtigen Kinderschuh folgende Anhaltspunkte: In der Länge sollte es für den Zehenraum noch 1 bis 1,5 Zentimeter Platzreserve und genügend Höhe haben, um die Zehen komfortabel zu bewegen. Auch die Weite muss optimal passen. In guten Kinderschuhgeschäften sorgen deshalb einfache Messgeräte für Klarheit. Bewährt hat sich beispielsweise das WMS-System, das seit über 40 Jahren dafür sorgt, dass Kinderfüsse gross gesund werden. WMS ist ein Qualitätssiegel. Die Lizenz dafür wird nur an qualifizierte Schuhersteller vergeben. WMS-Fussmessgeräte ermitteln eine kombinierte Grösse aus Länge und Weite, bei der die Zugabe zum Wachsen und Abrollen der Füsse berücksichtigt ist. Wie es der Name bereits sagt, unterscheidet das WMS-System drei Weiten: W für kräftige Füsse, M für mittlere Füsse und S für schmale Füsse. WMF arbeitet mit vielen bekannten Kinderschuhmarken zusammen. Empfohlen wird zudem, alle drei bis vier Monate die Kinderfüsse zu messen, um sicherzugehen, dass die Schuhe nicht zu klein oder zu eng geworden sind. Wichtig: Wenn das Kind in die Höhe gewachsen ist, sind bestimmt auch die Füsse wieder ein gutes Stück gewachsen und somit sind höchstwahrscheinlich auch die Schuhe wieder zu klein geworden. Aus diesen Gründen ist auch ein Schuhkauf im Voraus keine gute Idee, denn niemand kann mit Bestimmtheit voraussagen, wie viel und wie schnell Füsse während der Entwicklung tatsächlich wachsen. Falls Sie die Füsse Ihres Kindes selbst messen, ist es wichtig, dass es dabei steht. Denn die Füsse sind grösser und breiter, wenn sie auf dem Boden stehen als beim Sitzen. Zudem benötigen Füsse in Bewegung mehr Spielraum. Idealerweise lassen Sie sich beim Schuhkauf vom kompetenten Fachpersonal beraten.
Barfuss unterwegs
Lassen Sie Ihre Kinder möglichst viel Barfusslaufen – und dies auf verschiedenen Untergründen wie Gras, Holz, Moos oder Sand. Durch das Ertasten diverser Böden, entwickelt sich nicht nur ihre sensorische Wahrnehmung weiter, sondern trainieren auch die vielen kleinen Muskeln im Fuss, die für die Unterstützung der Fussbögen und die Stabilität beim Gehen wichtig sind. Durch das Barfusslaufen kann sich auch die Körperhaltung und das Gleichgewicht verbessern, denn durch das ständige Anpassen an den Untergrund werden die Fuss- und Knöchelmuskeln gestärkt. Gleichzeitig stimuliert es die Nervenenden an den Fusssohlen – dies wiederum beeinflusst die Körperkoordination und das Gehirn positiv. Insbesondere für Babys und Kleinkinder sind nackte Füsse wichtig, denn diese tragen dazu bei, die motorischen Fähigkeiten wie Drehen, Krabbeln, Aufstehen und Gehen zu erlernen. Gerade in den ersten Lebensjahren, wenn die Füsschen anfangen, sich zu entwickeln und zu wachsen, sollten sie nicht unnötig durch Schuhe eingeengt werden. Schuhe dienen draus-sen als Schutz vor Verletzungen, Kälte oder Hitze – doch in Innenräumen sind rutschfeste Sohlen oder weiche Krabbelschuhe besser als Hausschuhe mit festen Sohlen. Denn diese erlauben es den Zehen in der Regel nicht, sich auf natürliche Weise an der gleichen Stelle zu biegen wie beim Barfusslaufen. Eine Studie ergab, dass Kinder und Jugendliche, die die meiste Zeit barfuss laufen, andere motorische Fähigkeiten entwickeln als Kinder, die Schuhe tragen. Im Vergleich zu beschuhten Kindern schneiden sie deutlich besser ab im Springen und Balancieren, insbesondere im Alter von 6 bis 10 Jahren. Obwohl die positiven Auswirkungen des Barfusslaufens bei älteren Jugendlichen nachlassen, zeigen diese Studie dennoch die Bedeutung des Barfusslaufens für die motorische Entwicklung von Kindern.
Einlagen – ja oder nein?
Einlagen werden zwar millionenfach verschrieben, jedoch kontrovers diskutiert. Das Angebot ist riesig: Nebst klassischen Korrektureinlagen, gibt es auch Einlagen mit Luft- oder Wasserkissen oder zur Stimulation von Energiepunkten usw. Fakt ist, nur Problemfüsse – beispielsweise Knick-, Platt- oder Hohlfüsse – benötigen Unterstützung in Form von Einlagen. Diese können sowohl passiv unterstützend als auch korrigierend wirken. Fehlbelastungen können mittels intelligenter Einlagen gemindert, aber nicht verhindert werden. Gleichgewicht, Sprungkraft und Stabilität sind aktive Lernprozesse für Kinderfüsse: Konkret bedeutet das: Gezielte Fussgymnastik oder Fusstherapie ist angesagt. Einlagen sind kein Ersatz für aktives Lernen – im Gegenteil – gerade Problemfüsse benötigen Auslauf, Training und Frischluft. ++
Quellen und weiterführende Literatur:
WMS: https://www.wms-schuh.de/kinderfuesse-messen
«Gesunde Füsse für Ihr Kind», von Dr. med. Christian Larsen, Bea Miescher, Gabi Wickihalter, Trias Verlag