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Loslassen – so schaffen wir es!

Babys fangen ab ungefähr sechs Monaten mit dem Fremdeln an. Sie werden unruhig, können weinen oder schreien, klammern sich an den Elternteil und weigern sich schlichtweg, mit einer andern Person in Kontakt zu treten. Plötzlich schreit das Kind los, obwohl doch der liebe Nachbar schon immer nett in den Kinderwagen geguckt hat. Dies ist normal und gehört zur Entwicklung im Sozialverhalten eines Kindes. Diese Angst wird in der Regel wieder verschwinden.

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Die Trennungsangst jedoch ist eine Form der Angststörung. Kinder mit Trennungsangst weinen, klammern, grössere klagen zum Beispiel über Bauchweh, Kopfweh und können sich nur schlecht von ihrer Bezugsperson ablösen. Nehmen Sie Ihr Kind ernst. Nicht belächeln, drohen oder das Kind für sein Verhalten schimpfen. Besser: Ernst nehmen, zuhören, üben, Zeit lassen.

Warum haben Kinder Angst, sich von den Eltern zu trennen?

Die Angst kann vererbt sein. Zudem kann sich die Angst der Eltern auf das Kind übertragen. Es macht daher Sinn, zu seiner Angst zu stehen und mit dem Kind zu reden: „Ich habe auch gerade Herzklopfen. Das ist Angst. Ich denke, das gehört dazu und ich weiss, dass sie wieder verschwinden wird. Zum Glück!“ Dadurch bekommen unsere Gefühle auch einen Namen.

Die Entwicklung des Kindes spielt eine Rolle: sein Temperament, belastende Lebensereignisse und Veränderungen im Leben des Kindes wie Stress, Umzug, Beziehungsprobleme der Eltern, Sorgen, Erkrankungen einer Bezugsperson. Für Kinder ist es nicht selbstverständlich, dass die Eltern immer wieder zurückkommen. Auch dies kann ihnen Angst machen. Ist die Beziehung zum Kind sehr stark und das Kind überbehütet, können sich Kinder meist schlecht von ihrer nächsten Bezugspersonen ablösen, auch wenn sie nicht unter Trennungsangst leiden.

Was sagt man dazu?

Die Probleme können sich verschlimmern, wenn das Kind für sein Verhalten bei der Trennung besonders viel Aufmerksamkeit bekommt oder wenn das Gegenteil praktiziert wird und die Eltern besonders schnell weggehen oder sich davonschleichen. Es kann sein, dass die Kinder bei der Trennung protestieren. Da können die Eltern ihren Kindern sagen: „Ich sehe, dass du weinst und ich denke, du möchtest wieder mit mir nach Hause gehen. Ich gehe jetzt zur Arbeit und du wirst hier bleiben. Das ist so. Um 17.00 Uhr werde ich dich abholen und darauf freue ich mich schon ganz fest! Ich hab dich gern, tschüss!“ Damit zeigen Sie, dass Sie das Kind ernst nehmen. Seine Gefühle werden anerkannt und sind ok. Sie bestimmen aber doch selber, was gemacht wird und überlassen dem Kind nicht die Führung. Es hilft dem Kind nämlich nicht wenn wir sagen: „Ach, du verstehst doch, dass die Mama nun arbeiten gehen muss. Das möchte ich doch auch nicht! Höre auf zu weinen, das bringt doch nichts und macht die Mama nur traurig.“

Was hilft denn den Kindern?

Für kleine Kinder ist jede Trennung von der Bezugsperson ein grosser Schritt. Anerkennen Sie, was Ihr Kind dabei leistet. Damit Kinder diesen Schritt gehen können, brauchen sie Zeit, Sicherheit, Vertrauen, Orientierung und Halt. Sie brauchen zudem Übung, ein gutes Gefühl, einen klaren Rhythmus und ein gutes Selbstvertrauen. Jedes Kind reagiert verschieden und ein gewisser Trennungsschmerz ist normal. Die meisten Kinder gewöhnen sich jedoch innerhalb weniger Wochen daran, ab und zu von den Eltern getrennt zu sein.

Beziehungsaufbau

Kinder müssen die Gelegenheit haben, in aller Ruhe Vertrauen zu einer neuen, unbekannten Bezugsperson zu schaffen. Dies gelingt ihm erst mit der Zeit und durch gemachte Erfahrungen. Nur wenn es sich darauf verlassen kann, dass es einer neuen, anderen Person auch vertrauen kann, ist es bereit, eine Beziehung aufzubauen. Dazu gehört auch, dass die Eltern der betreuenden Person vertrauen und sie anerkennen. Das ist nicht immer einfach.

Und wenn das Kind beim Abschied weint?

Wir müssen lernen, die Gefühle unserer Kind auszuhalten und ernst zu nehmen. Es darf traurig sein, sich aufregen und weinen. Dies ist ja nichts Schlechtes. Es heisst auch nicht, dass das Kind sich nach der Trennung der Eltern an einem andern Ort wie in einer Kita oder im Kindergarten nicht wohlfühlen wird. Es ist einfach im Moment traurig, von den Eltern getrennt zu sein. Kinder, die weinen dürfen, hören damit auf, wenn es ihnen wieder besser geht. Danach sind sie meist ruhig und wieder im Gleichgewicht. Wenn ein Kind am Morgen sagt: „Ich will heute nicht in den Kindergarten!“ Können Sie sagen: „Oh je. Du magst heute nicht? Kann ich gut verstehen. Ich mag manchmal auch nicht zur Arbeit. Aber weißt du was? Ich geh dann einfach trotzdem. Das wirst du auch tun. Und jetzt gehen wir.“ Sie lernen dem Kind dadurch, dass man seinen Gefühlen, Launen und Vorlieben auch nicht immer einfach so nachgeben darf.

Wie sollen sich Eltern beim Bringen & Holen der Kinder verhalten?

Die meisten Kinder brauchen einen klaren Rhythmus. Sie können beispielsweise dem Kind seine Sachen mitgeben, Tschüss sagen und einen guten Tag wünschen, ein Küsschen geben und Tschüss winken. Halten Sie sich sich daran und gehen Sie dann weg, auch wenn das Kind damit nicht einverstanden ist. Dadurch kann es die Trennung lernen (und Sie auch!). Gute Rituale geben Sicherheit. Wir erkennen sie wieder und fühlen uns dadurch geborgen. Halten Sie sich an Ihr Wort, damit sich das Kind auf Sie verlassen kann.

Beim Holen oder nach Hause kommen empfiehlt es sich, das Kind zu begrüssen und ankommen zu lassen. Seien Sie nachsichtig und führen Sie keine Interviews oder geben Anweisungen wie „Wie war dein Tag? Was hast du gemacht? Bitte stell die Schuhe hin und wasch dir die Hände!“ Meist erledigen dies Kinder von selbst nach ein paar Minuten und wenn sie selber von ihrem Tag erzählen, wenn sie dann dazu in der Lage sind, kommt das ganze viel entspannter daher. Stellen Sie sich vor, wie Sie sich fühlen, wenn Sie ein Tag weg von zu Hause sind und dann heimkommen. So geht es auch den Kindern.

Vorteil für die Kinder?

Üben wir das Trennen, denn das braucht Übung. Geben wir unsern Kindern die Möglichkeit, sich immer mal wieder bei Bekannten, Grosseltern und Nachbarn aufzuhalten. Das Kind erlebt dadurch, dass die Trennung dabei von den Eltern immer wieder in ein Wiedersehen einmündet. Dabei sollte mit der Zeit die Trennungsangst verschwinden. Der Schritt in die Selbstständigkeit ist nicht nur unerlässlich, er kann auch richtig gut sein und Spass machen! Kinder, die sich die zeitliche Trennung von den Eltern schon gewohnt sind, haben es beim Übertritt in den Kindergarten oder in die Schule meist einfacher. Loslassen – wie schaffen das die Eltern?

Eigene Überzeugung

Bevor wir vom Kind erwarten, dass es loslassen kann, muss man selber gewillt sein, das Kind loszulassen. Lassen Sie allen Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Reden Sie sich selber gut zu. “ Nun beginnt ein neuer, toller Abschnitt im Leben. Mein Kind lernt nun, selbstständiger zu werden und ich lerne schon mal ein bisschen, loszulassen. Ich weiss, dass nun auch andere Personen im Leben von meinem Kind wichtig werden und das ist gut so!“ Seien Sie von der neuen Betreuung überzeugt.

Wecken Sie die Freude & Neugierde

Sprechen Sie von der Person oder Institution, die das Kind während Ihrer Abwesenheit betreuen wird. Erzählen Sie von dem Spannenden, was es vielleicht erleben wird und wie Ihre Eindrücke sind. Spazieren oder fahren Sie zusammen mehrmals an den Ort oder hängen Sie Fotos davon auf. Dies vermittelt dem Kind Eindrücke und Wiedererkennungsmomente, die Vertrauen bilden.

Information

Sprechen Sie mit dem Kind (auch mit dem Säugling) über den bevorstehenden Übertritt. Erwähnen Sie immer wieder, dass das Kind bald dorthin gehen darf. Informieren Sie das Kind kurz vorher nochmals über den Ablauf.

Klarer, festgelegter Ablauf

Bestimmen Sie, wie der Abschied gehen wird, auch wenn das Kind damit nicht einverstanden ist. Dies gibt dem Kind und auch Ihnen Sicherheit und Stabilität. Erwähnen Sie jeweils am Morgen kurz denselben Ablauf, wohin Sie selber gehen und wann Sie wieder kommen. Versuchen Sie, die Zeit Ihrer Rückkehr mit etwas zu verbinden, dass das Kind kennt, z.B., „Nach dem Zvieriessen werde ich dich abholen kommen. Darauf freue ich mich schon.“ Seien Sie dann konsequent und gehen Sie wie besprochen, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Schleichen Sie sich nie heimlich davon!

Routine

Entwickeln Sie Ihre feste Routine! Wecken Sie die Kinder um die gleiche Zeit, aufstehen, anziehen, frühstücken, Zähne putzen und sich fertig machen, (was Ruhiges spielen, wenn noch Zeit bleibt), Kuscheltier mitnehmen, Haus verlassen. Behalten Sie die Reihenfolge bei. Rechnen Sie genügend Zeit fürs Weggehen ein. Dadurch lässt sich viel Hektik und Streit am Morgen vermeiden.