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Verkehrshaus der Schweiz – Medienwelt hautnah

Das Verkehrshaus Luzern feierte im 2009 seinen 50. Geburtstag mit vielen Neuigkeiten. Eine davon ist die topmoderne Kommunikationsausstellung Media Factory.

Bild: Heracles Kritikos/Shutterstock.com

Ein Ausflug ins Verkehrshaus war für mich als Kind immer ein tolles Erlebnis. Es ist schön zu sehen, dass es viele Jahre später immer noch nichts von seiner Faszination verloren hat. Dem Ruf «Kommt, wir gehen ins Verkehrshaus» folgen auch heutige Kinder mit der gleichen Begeisterung wie wir es damals taten. Und so packen meine Freundin Bettina Hofstetter und ich unsere insgesamt vier Kinder Yves (11), Manolo (11), Cédric (7) und Thierry (2) an einem schulfreien Tag ins Auto und fahren mit der ganzen Rasselbande Richtung Luzern.

In diesem Jahr feiert das Verkehrshaus seinen 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass wurden verschiedene Gebäude und Ausstellungen neu gebaut, modernisiert und verbessert. Ein grosser Aufwand, der sich auszahlt, denn dadurch bleibt das Museum attraktiv. So präsentiert sich beispielsweise das Ende 2008 neu eröffnete Eingangsgebäude FutureCom ganz unter dem Motto Mobilität. Über 5000 verschiedene Räder, Propeller, Schiffsschrauben und Steuerräder an der Fassade verraten, was das Hauptthema des Museums ist.

Klapproth mit Kaugummi

Die Eingangshalle ist grosszügig und übersichtlich konzipiert und im Nu erhalten wir unsere Eintrittstickets. Als Erstes steuern wir gleich die Media Factory an, eine neue Kommunikationsausstellung, die von SRG SSR idée suisse als Hauptpartner unterstützt wird. Während wir Mütter uns noch etwas orientieren, haben unsere älteren Kinder schon längst erfasst, worum es hier geht. Zielstrebig laufen sie das Fernsehstudio an. Hier ist eine professionelle Kulisse aufgebaut wie bei der Nachrichtensendung «10 vor 10». Sofort begibt sich Manolo hinter das Pult und beginnt, kaugummikauend, aber mit seriöser Miene von einem Flugzeugabsturz in Kirgisien zu berichten. Ich staune darüber, dass er so schnell und flüssig aus dem Stegreif erzählen kann – bis ich den Teleprompter erkenne, der vor ihm hängt. Mit einem Fusspedal kann er die Geschwindigkeit regeln, mit der sich der Text bewegt. Wie im richtigen Leben! Manolo alias Stefan Klapproth übergibt das Wort seinem Kollegen Yves, der anhand einer digitalen Karte die genaue Lage von Kirgisien erklärt, die nicht allen Zuschauern bekannt sein dürfte. Die Kinder können so oft Probedurchgänge machen, wie sie es wollen und wenn sie bereit sind, zu -einer richtigen Aufnahme schreiten, die auf der Eintrittskarte (o Wunder der -Technologie!) gespeichert wird.

Inzwischen hat Cédric die sogenannte Bluebox entdeckt, die ihrer Farbe nach eigentlich Greenbox heissen müsste. Hier kann man einen Hintergrund auswählen wie beispielsweise die Kulisse von MusicStar oder das Bundeshaus. Die zwei grösseren Jungs stossen dazu und zusammen spielen sie alle verschiedenen Möglichkeiten durch, bis sie sich für das Innere eines Raumschiffs als Hintergrund entscheiden. Und jetzt geht der Spass erst richtig los: Mit Hilfe von grünen Tüchern kann man einzelne Körperteile zudecken. Diese sind nun für uns Zuschauer unsichtbar. Nur was nicht verhüllt ist, wird vor den ausgewählten Bildhintergrund kopiert. Vor allem Cédric und sein kleiner Bruder Thierry haben ihre helle Freude an diesem Spiel, denn auf einem Bildschirm auf Augenhöhe können sie sich selber beobachten. «Schaut her, ich habe keine Beine mehr!», ruft Cédric in die Runde. Yves legt sich das Tuch um sein Gesicht und steht plötzlich völlig kopflos da. Manolo faltet sein Tuch schmal zusammen, legt es um seinen Bauch und es sieht so aus, als wäre sein Körper in der Mitte durchgetrennt. Auch die Aufnahmen bei der Bluebox kann man auf dem Eintrittsticket speichern.

Wir machen es wie richtig!

Als Yves feststellt, dass das Radiostudio frei geworden ist, ergreift er seine Chance. «Willkommen bei Radio 1032 dns! Wir steigen ein mit Baschis Hit ‚Bring en hei!’», begrüsst er das imaginäre Publikum. Manolo und Cédric sind ihm gefolgt. Letzterer ist begeistert von den vielen bereits gespeicherten Songs, Signeten und Geräuschen, die man auf Knopfdruck betätigen kann. Er kreiert damit seinen ureigenen Mischmaschsound, bis es den beiden Grossen zu viel wird. «Komm, jetzt machen wir es wie richtig», meint Manolo. Er spielt den Moderator und Yves den Studiogast, ein Rapper, der das Publikum mit einer Live-Rap-Einlage beglückt: «Chrzpfft, chrzpfft, chrzpfft, pfft, pfft …» Zwischendurch macht Cédric, er kann es nicht lassen, ein paar mehr oder weniger passende Toneinspielungen, die von Reifenquietschen über Katy Perry bis zum scheppernden Geschirr reichen. Und wie im richtigen Leben gibt es eine Unterbrechung für eine wichtige Verkehrsmeldung, natürlich samt passendem Signet.

Als auch diese Aufnahme im Kasten beziehungsweise auf dem Ticket ist, machen wir uns damit zur Medientankstelle auf. Dabei handelt es sich um ein grosses Regie-Mischpult, an dem man die Aufnahmen schneiden oder mit passendem Material ergänzen kann. Die fertig gestellten Beiträge kann man auf ein Handy, -einen iPod oder USB-Stick laden oder via Internet auf einen Server stellen. Eine freundliche Betreuerin steht uns mit Rat und Tat zur Seite, denn obwohl unsere Jungs technisch nicht unbedarft sind, sind die Möglichkeiten vielfältig. Wer es einfacher mag, kann sich an der Nachrichtenwand wie ein TV-Redaktor mittels Knopfdruck durch die Bilderflut auf 28 Bildschirmen zappen oder sich auf einer der vier Internetstationen Zugang zu den aktuellen Produktionen des Schweizer Fernsehens verschaffen und diese professionellen Beiträge mit denen der Verkehrshausbesucher vergleichen. Und natürlich kann man in der Media Factory auch einfach nur zuschauen und das Ganze auf sich wirken lassen.

Was vielleicht etwas theoretisch klingen mag, ist in Wirklichkeit spielerisch aufgezogen. Die ganze Kommunikationsausstellung will vermitteln, wie Sendungen hergestellt werden. Aus Konsumenten werden Produzenten – und es ist ganz klar ersichtlich, wie gut die heutigen Kinder die Medienwelt kennen und wie schnell sie ihre anfängliche Scheu ablegen und vor der Kamera oder dem Mikrofon ganz natürlich agieren.

Ein Museum zum Anfassen

Die Media Factory ist sehr spannend, aber es gibt im Verkehrshaus noch so vieles mehr zu entdecken. Unsere Jungs sind alle flugzeugversessen und deshalb zieht es uns nun in die Flugzeughalle. Hier bewundern wir die alten Maschinen, die auf Hochglanz poliert sind. «Raptor!», ruft der kleine Thierry und zeigt bestimmt auf ein Modell. «Nein, nicht Raptor, Jet», verbessert ihn sein Bruder Cédric. Aber nichts da, Thierry lässt sich nicht beirren und behauptet noch viele, viele Male steif und fest: «Raptor!» Die zwei älteren Jungs Yves und Manolo wollen unbedingt noch in den Flugsimulator steigen. Mir wird beim Anblick von aussen schon leicht mulmig. Aber die Jungs schieben meine Bedenken beiseite und steigen unerschrocken in die Kabine des Max Flight FS 2000, wo sie von einem Betreuer fachmännisch in ihren Sitzen gesichert und über die Bedienung instruiert werden. «Und falls es euch schlecht wird, müsst ihr rechtzeitig auf diesen roten Knopf drücken», erklärt er. Ich hoffe sehr, dass das nicht nötig sein wird und schon geht es los. Rauf, runter, rückwärts und in den unmöglichsten Winkeln. Währenddessen übt Cédric an einem kleinen Bildschirm das Fliegen und Thierry lässt einen Ball durch den Einsatz von Heissluft rauf und runter steigen und steckt alle mit seinem begeisterten Lachen an. Seine Mutter Bettina Hofstetter bringt das Erfolgsrezept des Verkehrshauses auf den Punkt: «Das Beste ist, dass die Kinder, auch die kleinsten unter ihnen, so viele Dinge anfassen und selber bedienen können. Das macht dieses Museum so lebendig.»

Als die beiden Grossen aus dem Flugsimulator steigen, sind sie zwar etwas bleich um die Nase. Aber nach ein paar Minuten hat sich das gelegt und sie verspüren Bärenhunger. Also nichts wie hin in eins der beiden neuen Restaurants, wo wir uns alle für den Rest unseres Besuches stärken. Im Anschluss wollen wir uns die Lokomotiven anschauen. Wir bestaunen die Güterzugsloki Krokodil, die letzte grosse Schweizer Dampflokomotive Elefant und bleiben ganz lange bei der grünen Landi-Lok von 1939 stehen, der stärksten Lokomotive der Welt. Die Jungs samt kleinem Thierry steigen zahllose Mal auf und wieder ab und begeben sich zur genaueren Inspektion sogar unter das Fahrgestell.

So viel zu sehen

Nach so viel Aktivität sind wir etwas müde und möchten uns im Planetarium den Film «Stella Nova» über die Geburt und den Tod von Sternen anschauen. Die Kinder nutzen die verbleibende Wartezeit, bis der Film startet, um der Media Factory einen weiteren Besuch abzustatten. Dieses Mal geht es direkt ins Radio-Studio, wo Yves und Manolo mit Hilfe von Techniker Cédric eine Quizsendung aufnehmen: Yves: «Wie hiess der erste Schweizer im Weltall?» – Manolo: «Äh, Sepp Blatter?» Yves: «Falsch! Claude Nicollier.» Cédric: Scheppergeräusche.

Nach der Vorführung im Planetarium stellen wir Mütter fest, dass wir uns seit mehr als fünf Stunden im Verkehrshaus befinden und dass wir langsam die Heimreise antreten sollen. Die Zeit ist für Kinder und Erwachsene wie im Flug vergangen. Die beiden älteren Jungs protestieren, sie wären gerne zum dritten (!) Mal in die Media Factory gegangen und hätten noch mehr entdecken wollen. Es stimmt, wir haben nur einen Teil der über 3000 Ausstellungsobjekte gesehen. Wir waren weder im Hans Erni Museum, noch in in der Swissarena, einer riesigen begehbaren Luftbildaufnahme der Schweiz auf fast 200 Quadratmetern, oder im Filmtheater IMAX. Das und noch mehr müssen wir aufs nächste Mal verschieben. Das Verkehrshaus in Luzern ist das meistbesuchte Museum der Schweiz. Jetzt wissen wir einmal mehr, wieso: ein Besuch ist nie genug!

Weitere Angaben, das aktuelle Programm und Hinweise auf spezielle Veranstaltungen anlässlich des 50-Jahre-Jubiläums finden Sie auf verkehrshaus.ch