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Essen nach den Fünf Elementen

Immer mehr Erkenntnisse des Ostens finden auch bei uns Anklang. Das jüngste Beispiel dafür ist die Ernährung nach den Fünf Elementen, die zur Traditionellen Chinesischen Medizin gehört.

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Um es gleich vorweg zu nehmen: Bei der Ernährung nach den Fünf Elementen muss man nicht chinesisch kochen obwohl sie in China entstanden ist. Ihre Grundlagen lassen sich auf jedes Klima und jede Kultur übertragen und man benötigt für die Umsetzung weder exotische Zutaten noch spezielle Kochkünste. Die chinesische Ernährungslehre stützt sich vielmehr auf eine breite Palette von Nahrungsmitteln, bei der das saisonale Angebot an Gemüsen und Früchten genutzt wird. Die Fünf-Elemente-Küche wurde nicht von modernen Ernährungswissenschaftlern entwickelt, sondern entspringt dem dreitausend Jahre alten Erfahrungsschatz der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Ihre Erkenntnisse gehören dort zum Alltag und finden ihre Anwendung in Millionen von Küchen. Hier im Westen sind sie allerdings noch relativ neu und stossen mancherorts auch auf Skepsis. Was unter anderem daran liegt, dass sie einige unserer Vorstellungen auf den Kopf stellen. So besagt die Fünf-Elemente-Lehre, dass Orangen und Kiwis, die wir im Westen im Winter so gerne essen, unsere Abwehr nicht stärken, sondern im Gegenteil schwächen. Oder dass Bananen, die bei uns als schnelle und praktische Energiespender gelten, Müdigkeit, Konzentrationsmangel und sogar Verschleimung der Bronchien verursachen können.

Qi und Thermik

Bei der Ernährung nach den Fünf Elementen steht die energetische Wirkung der einzelnen Nahrungsmittel im Zentrum. Für die Chinesen ist es selbstverständlich, dass Speisen nicht nur lecker schmecken, sondern eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung haben sollen. Dabei ist der Begriff «Qi», der so viel wie Lebensenergie bedeutet, von grosser Bedeutung. In der TCM unterscheidet man zwischen vorgeburtlichem Qi, das der Mensch bei seiner Geburt bereits mitbringt und das nicht vergrössert werden kann, und dem nachgeburtlichen Qi, das wir durch die Atmung, aber vor allem durch unsere Ernährung immer wieder neu erzeugen. Ist das vorgeburtliche Qi eines Menschen aufgebraucht, stirbt dieser. Wenn wir nicht genug nachgeburtliches Qi erzeugen, brauchen wir unser vorgeburtliches Qi schneller auf. Mit einer energieintensiven Ernährung soll das vermieden werden. Die spezifische Energie, die ein Lebensmittel schenkt, wird «Thermik» genannt. In der traditionellen chinesischen Ernährungslehre kann jedes Nahrungsmittel gemäss seiner thermischen Wirkung in eine der folgenden fünf Kategorien eingeteilt werden: heiss, warm, neutral, erfrischend und kalt.

Heisse Nahrungsmittel wie beispielsweise Lammfleisch, Knoblauch, Pfeffer, Muskat verhindern einen Kältezustand im Körper, denn durch ihren Verzehr bleibt das Qi im Fluss. Deshalb sollte man diese Lebensmittel vermehrt im Winter zu sich nehmen. Warme Nahrungsmittel wie Lauch, Zwiebeln, Ingwer, Kaffee steigern die Aktivität. Ihr Anteil sollte bei kühlem Wetter ebenfalls erhöht sein. Neutrale Nahrungsmittel wie Getreide, stärkehaltige Gemüsesorten, Rindfleisch und Hülsenfrüchte haben eine ausgleichende Wirkung auf die Organe. Der Hauptanteil einer Mahlzeit sollte deshalb aus neutralen Nahrungsmitteln bestehen. Die meisten Gemüse- und Obstsorten und einige Salate gelten als erfrischende Lebensmittel. Der Verzehr dieser Lebensmittel sollte im Frühling und Sommer erhöht und Herbst und Winter wieder gesenkt werden. Zitrusfrüchte, Tomaten, Gurken, Yoghurt, Mineralwasser und Salz sind kalte Lebensmittel. In Ländern, in denen Hitze herrscht, werden sie gerne als Ausgleich zu den klimatischen Bedingungen verwendet. Bei uns sollte man sie aber gemäss der chinesischen Lehre eher sparsam einsetzen, denn sie schwächen das Qi und führen zu innerer Kälte. Damit wir die Energie, die in der Nahrung steckt, optimal nutzen können, sollte sie in erster Linie bekömmlich sein. Gemäss der fernöstlichen Ernährungslehre trifft dies vor allem auf gekochte Speisen und nur selten auf Rohkost zu, deshalb wird dieser in China nur einen kleinen Platz eingeräumt. Der Qi-Verbrauch, um rohe Speisen auf Körpertemperatur aufzuwärmen und zu verdauen, ist wesentlich grösser als für gekochte. Im Wesentlichen sollte sich der Mensch deshalb von gekochten Speisen ernähren, die durch Blattsalate, frische Kräuter, Sprossen und etwas Obst ergänzt werden. Auch die bei uns so beliebten, weil praktischen Brotmahlzeiten sollten vermieden werden, da sie entsprechend Thermik-Lehre kalt sind.

Die Elemente

Alle Lebensmittel können aber nicht nur einer thermischen Wirkung, sondern auch einem der fünf Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser zugeteilt werden, die wiederum unterschiedlichen Geschmacksrichtungen entsprechen.

Das «Holzelement» wird der Geschmacksrichtung sauer und den Organe Leber und Gallenblase zugeteilt. Ist das Holzelement aus dem Gleichgewicht geraten, kann sich das beispielsweise an Unruhe, Jähzorn oder aber auch Depressionen zeigen, wenn die angestauten Emotionen einfach «hinuntergeschluckt» werden. Anzeichen für eine Unausgewogenheit im Holzelement können nach chinesischer Sicht unter anderem schnell wechselnde Stimmungsschwankungen, hormonell gesteuerte Beschwerden wie PMS, einseitiger Kopfschmerzen, Schmerzzustände von Muskeln und Sehnen, Augenerkrankungen, Heuschnupfen und alle Erkrankungen der Leber oder der Gallenblase sein.

Das «Feuerelement» wird mit dem bitteren Geschmack in Verbindung gebracht und regelt die Funktionen des Herzes und des Dünndarms. Menschen mit einem harmonischen Feuerelement sind herzlich und haben eine warme Ausstrahlung. Ist eine Störung vorhanden, zeigt sich das an einem herrischen oder auch verunsicherten Auftreten. Alle Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, Beschwerden, die durch Hitze verursacht werden, wie schwere Beine, Darmprobleme wie Blähungen, Unruhe, Schlaf-störungen, Gedächtnis- und Sprachstörungen entstammen einem unausgeglichenen Feuerelement.

Das «Erdelement» gilt als süss und ist für Milz, Pankreas und Magen zuständig. Ein Mensch mit einem starken Erdelement ist fähig, gute, tiefe Beziehungen einzugehen. Ein kreativer, anregender Gedankenfluss zeichnet ihn aus. Gerät dieses Element aus dem Lot, macht sich das in Erkrankungen bemerkbar, die als Folge von feuchtkaltem oder feuchtschwülem Wetter auftreten wie Erkältungen oder Magen-Darm-Grippen, in Beschwerden des Magens wie Magenübersäuerung, Völlegefühl, Übelkeit oder Essstörungen oder auch in Erkrankungen des Bindegewebes oder der Mundhöhle. Auch Heisshungeranfälle und die Neigung zum Grübeln können Anzeichen für eine Störung im Erdelement sein.

Lunge und Dickdarm gelten als dem Element «Metall» zugehörig, das sich durch scharfen Geschmack auszeichnet. Menschen, die sehr lange trauern und häufig niedergeschlagen sind, leiden unter einer Blockade des Metallelementes. Alle Erkrankungen der Atemwege wie Asthma, grippale Infekte oder Husten, die Neigung zu Durchfall oder Verstopfung, Erkrankungen, die regelmässig im Herbst auftreten, wie depressive Verstimmungen, aber auch trockene Haut und trockene Ekzeme werden mit dem Metallelement in Verbindung gebracht.

Das Element «Wasser» wird der Geschmacksrichtung salzig zugeordnet und ist mit Niere und Blase verknüpft. Ein gutes Wasserelement schenkt uns Vertrauen und Zuversicht, damit wir unser volles Potential ausleben können. Angst und Furcht sind Anzeichen einer Schwächung dieses Elementes, ebenso Erkrankungen, die als Folge von Kälte oder Unterkühlung auftreten, Rückenschmerzen und Bandscheibenbeschwerden, Erkrankungen der Harnwege, der Knochen wie Osteoporose und Ohrenleiden.

Die chinesische Küche hat auch dem Westen viel zu bieten. Dabei brauchen wir uns nicht sklavisch an ihre Vorlagen zu halten, sondern sollten sie unseren eigenen Bedürfnissen anpassen, wie Barbara Temelie in ihrem Buch «Die Fünf Elemente Ernährung» erklärt: «Die Ernährung muss sitzen wie ein massgeschneiderter Anzug. Sie muss flexibel sein und sich dem jeweiligen Geschmack anpassen, dann wird sie zum Freund fürs ganze Leben.»

Was ist die Traditionelle Chinesische Medizin?

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) existiert bereits seit 3 000 Jahren. Genauso lange setzt sie auf ein ganzheitliches Ernährungssystem, um einerseits die Menschen gesund zu erhalten und andererseits kranke Menschen wieder zu heilen.

Die TCM stützt sich hauptsächlich auf die folgenden vier Pfeiler: Akupunktur, Kräutertherapie, Massagen und Ernährungslehre gemäss den Fünf Elementen. Bei der TCM werden nicht nur bestehende Krankheiten behandelt. Ein grosser Schwerpunkt liegt in der Prävention: dass die Patienten gesund bleiben ist für einen chinesischen Arzt genauso wichtig, wie die Behandlung eines Kranken, deshalb lautet das oberste Gebot der chinesischen Medizin das Vorbeugen. Zu diesem Zweck hat die TCM eine Diagnostik entwickelt, die es erlaubt, Ungleichgewichte zu erkennen, bevor aus ihnen Krankheiten entstanden sind. Sie geht davon aus, dass es zu erkennbaren Beschwerden kommt, auf die man Einfluss nehmen kann, bevor es zu einer ernsthaften Erkrankung kommt.

Interview:

«Wir sind, was wir essen.»

swissfamily: Wie sind Sie auf die Fünf-Elemente-Ernährung gestossen?

Claudia Ernst: Als Fitnessinstruktorin habe mich schon immer für Ernährung und Gesundheit interessiert. Allerdings habe ich gemerkt, dass die westliche Ernährungslehre viele Fragen offen lässt und für mich zu wenig in die Tiefe geht. Sie tendiert dazu, Nahrungsmittel in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen, wonach zum Beispiel ein Apfel so und so viele Vitamine enthält und deshalb für alle Menschen gesund sein soll. Bei der Traditionellen Chinesischen Medizin untersucht man hingegen, wie ein Apfel wirkt. So erfährt man, dass ein Apfel eben nicht für alle Menschen ein optimales Nahrungsmittel ist.

Die Fünf-Elemente-Küche scheint ziemlich aufwändig zu sein. Fast alles wird ja gekocht.

Wenn man erst mal merkt, wie gut diese Ernährungsweise tut, dann lohnt sich der etwas grössere Aufwand auf jeden Fall. Übrigens lassen sich viele Gerichte wie Eintöpfe oder Gratins schon im Voraus vorbereiten und auch das Aufwärmen von Resten ist erlaubt, das spart wieder Zeit ein. Sehr wichtig ist, dass man sich fürs Essen Zeit nimmt und dass man in Ruhe und bei guter Stimmung isst, damit die Mahlzeit optimal verdaut werden und der Körper daraus Energie beziehen kann.

In der Fünf-Elemente-Küche wird grosser Wert auf ein warmes Frühstück gelegt. Warum eigentlich?

Was die meisten von uns, und vor allem viele Kinder, heute zum Frühstück essen, nämlich Brot und dazu noch ein kaltes Milchgetränk, ist eine neuzeitliche Erscheinung und eigentlich eine Art Fast Food. Brot gibt keine Wärme und kaum Energie ab, zusammen mit kalter Milch ist das nicht der ideale Start in den Tag. Der Körper verbraucht zu viel Energie, um diese kalten Speisen zu verdauen. Damit das Qi fliessen kann, sollte man ein Getreide kochen, das man gern hat, für eher hitzige, aktive Kinder beispielsweise Dinkel, ruhige Kinder oder solche, die schnell frieren, nehmen vielleicht lieber Hafer. Daraus macht man ein Müesli, das man mit Dörrfrüchten wie Aprikosen, Datteln oder Weinbeeren ergänzen kann oder mit Apfelstückchen, die man mitkocht, oder mit ein paar frischen Erdbeeren, Nüssen oder Samen. Es darf aber auch etwas Salziges zum Frühstück sein, wie eine Omelette mit Kräutern. Zum Trinken empfehle ich warmen Tee und wenn jemand doch Milch trinken möchte, dann warm oder wenigstens nicht direkt aus dem Kühlschrank.

Wie könnte das Menü für einen ganzen Tag gemäss den Fünf Elementen aussehen?

Zum Frühstück könnte man, wie gesagt, Tee mit einem warmen Müesli nehmen, zum Znüni ein Vollkornbrötchen mit einem guten Aufstrich aus dem Reformhaus oder mit etwas Bündnerfleisch, kombiniert mit einer Frucht, die bei uns wächst und Saison hat. Zum Mittagessen bietet sich ein Eintopf, ein Reisgericht oder Fleisch mit gekochtem Gemüse an. Zum Zvieri ist auch ein Stück selbstgebackener Kuchen erlaubt, Butter enthält nämlich viel Qi. Das Abendessen sollte leichter als das Mittagessen sein, Salate sollte man zu dieser Zeit vermeiden, da sie nicht gut verdaulich sind und eher eine Suppe mit Fleisch oder Gemüse bevorzugen.

Was beinhaltet eine Ernährungsberatung nach den Fünf Elementen?

Wer zu mir kommt, sollte fünf Tage lang alles aufschreiben, was und wieviel er gegessen und getrunken hat und dazu noch die Farbe und Beschaffenheit seines Urins und Stuhls beobachten. Diese Unterlagen ergänze ich mit einer Zungendiagnose und einem ausführlichen Fragebogen. So erhalte ich ein Bild darüber, ob ein Ungleichgewicht besteht, ob es irgendwo zu viel oder zu wenig Energie gibt. Mit den entsprechenden Ernährungsempfehlungen versuche ich, diese Mängel positiv zu beeinflussen. Es ist nicht zu leugnen, dass das, was wir drei bis fünfmal im Tag zu uns nehmen, unseren Gesundheits- und Gemütszustand stark beeinflusst. Wir sind, was wir essen. Die Wirkung der Nahrung wird bei uns aber leider noch häufig unterschätzt. Da wir in einer Zeit des Überflusses leben, müssen wir mit unserem Verstand steuern, was wir essen. Dabei sollten wir uns immer -wieder fragen: Nach welchem Essen fühle ich mich gut

Können Sie uns zum Schluss ein paar Tipps geben für Leute, die ihre Ernährung nicht ganz umstellen, aber dennoch von den Erkenntnissen der Fünf-Elemente-Lehre profitieren möchten?

Wenn möglich, viel warmes, abgekochtes Wasser trinken, ein warmes Frühstück wäre ebenfalls ideal. Verzichten Sie auf Fertigprodukte und versuchen Sie, das saisonale und regionale Angebot an Früchten und Gemüse zu nutzen, also essen Sie Orangen und Kiwis nicht im Winter, sondern im Sommer. Und man sollte bei allem Streben nach Gesundheit flexibel bleiben. Starre Zwänge und Verbote sind kontraproduktiv, denn der Genuss sollte beim Essen nicht zu kurz kommen.